_Dieser Beitrag ist Teil einer Serie über das HMC660 Headset. Eine Übersicht aller Beiträge findet sich hier: https://sendegate.de/t/uebersicht-alles-rund-um-das-superlux-hmc660-x-headset/5949_
Nachweislich treibt mich seit längerer Zeit um, den bezahlbaren Wohlklang von Podcasts zu steigern. Ich dachte, mit der Einführung von StudioLink zur Ablösung von SKYPE und der Entdeckung des HMC660X Headset als 39€ günstige, klanglich ebenbürdige Alternative zum DT297 die wesentlichen Bausteine gefunden zu haben. Voll Zuversicht habe ich auf der re:publica proklamiert, 2016 würde das letzte Jahr sein, in dem wir noch schlecht klingende Podcasts hören müssen, das Thema sei durch. Und ja, viele Podcasts klingen mittlerweile deutlich besser, jedoch noch längst nicht alle.
Aber: uns bleiben ja noch ein paar Tage.
Ich frage immer wieder bei Podcasts, die ich gerne höre nach, was da eigentlich schief läuft, was verhindert, dass bessere Technik eingesetzt wird, wo noch die Einstiegshürde zu hoch liegt. Bei der Frage nach Setups kommen dann Antworten wie
„Hacky mit macOS 10.12 und auch nem USB Mike/Kopfhörern. Keine Preamps oder anderes Zeuch“
oder:
„XY’s Setting ist das schlechteste: sennheiser momentum 2 (eigentlich gut, aber schlechtes mikro!) + iphone + groundwire + studiolink. Ein Grauen! aber da ist nix zu bewegen, denn das Problem ist, dass es mobil (iPhone + Groundwire, besser noch Android + was-weiss-ich-das-mit-studiolink-funktioniert) sein muss. XY ist da Empfehlungen gegenüber sehr robust.“
Oder auch:
„Bräuchte mal ein brauchbares Headset das USB „spricht“ und was ich ausschließlich an Studio-Link/Mumble zur „remote participation“ bei Podcasts einsetzen will. Klein, leicht, billig - aber ordentlicher Sound. Will keinen Mixer/Aufnehmer/$Zeugs …“
Es scheint da draußen also immer noch nicht wenige zu geben (und das waren alles drei technikaffine Leute), die den Einsatz eines separaten Soundinterfaces – und sei es noch so klein – scheuen, und die nach einer „einfach Headset dranstecken, läuft“ Lösung suchen.
Nun – die haben wir, sie lag ein Jahr lang direkt vor unserer Nase.
Wir müssen nur die vermeintliche Schwäche des HMC660 – „kann keine 48V Phantomspeisung“ – in eine Stärke uminterpretieren: „braucht nur 1,5 V Plugin-Power um super zu funktionieren“. @christian_vogel dazu schon im April:
„Das HMC660 (mit Elektretkapsel) dagegen könnte mit einem Miniklinkenstecker anstelle des XLR dagegen sehrwohl an einem MacBook funktionieren“
…das hat nur bisher nie jemand aufgegriffen. Ich habe nun – getriggert durch die Anfragen oben – mal den @fernsehmuell gefragt:
„Moin, eigentlich sollte es doch gehen, das HMC660 an das iPhone anzuschließen - die 1.5V Plugin-Power sollte das eigentlich liefern können? Dann hätte man über Groundwire ein 1A mobiles StudioLink-Setup…“
und daraufhin schickt er mir diese Skizze:
Was ich dann kurzerhand mal nachgebaut habe:
Dann mit der Ferrite App (es geht auch jede andere, bei der man den Gain manuell einstellen kann) ausprobiert, und hört selbst:
Die frohe Nachricht zum Weihnachtsfest: das klingt nicht nur 1:1 wie unsere bisherigen Lösungen mit angepasster Phantomspeisung – wir müssen noch nicht mals etwas Basteln oder Löten: für genau diese Anschlüsse wurde das HMC660 entworfen! Lediglich den XLR-Anschluss müssen wir umgehen, was mit günstigen, handelsüblichen Adaptern schnell gemacht ist:
Und die nächste gute Nachricht: das funktioniert so nicht nur am iPhone, sondern auch am iPad, sowie nahezu allen Android-Geräten. Aber nicht nur das. Sondern auch an allen MacBook Rechnern, an deren Buchsen man etwa mit einem Apple-Earpod Headset arbeiten kann. Sowie an so ziemlich allen Windows-Notebooks:
Oder an allen internen oder externen Soundkarten so ziemlich aller Desktop-Rechner. Sprich: es läuft einfach überall, wo entweder ein roter Miniklinken-Eingang für ein externes Mikro vorgesehen ist, oder ein kombinierter TRRS-Anschluss wie eben bei den iPhones, MacBooks etc.
Es gilt einzig zu beachten, den richtigen Adapter zu wählen: hier sind die Unterschiede zwischen CTIA und OMTP Standard zu beachten http://www.martzell.de/2012/12/pin-belegung-headset-iphone-omtp-ctia.html?m=1 , Apple nutzt ausschließlich CTIA.
Was bedeutet das?
Das bedeutet, dass wir hier nun plötzlich ein Headset haben, das ohne Bastelei an nahezu JEDEM Rechner und jedem Smartphone läuft, wie das Beyerdynamics DT297 klingt und 39 € kostet. Und das man genauso einfach anschließen kann wie ein beliebiges Gaming-Headsets, die Leute brauchen in ihren Soundeinstellungen nichts anpassen! Einschränkung: unter Windows kann es Sinn machen, den Mikrofon-Gain in den Systemeinstellungen runter zu drehen, aber das gilt für jedes andere Gaming-Headset genauso.
Was das ferner bedeutet: es eröffnen sich jetzt völlig neue Mobil-Szenarien. Die StudioLink Standalone-App für iOS ist in Arbeit, aber schon jetzt kann man sich mit Groundwire oder Linphone mit einem iPhone oder iPad in ein StudioLink Recording einklinken. Und zwar mobil, nur mit Smartphone und HMC660x – keine Interfaces, kein Akku, nichts! Sebastian und ich basteln gerade an einem Setup, über das wir hier noch weiter berichten werden – das es totalen Noobs ermöglicht, sich mit drei Klicks von ihrem iPhone aus in ein Recording einzuhängen: einfacher geht es dann wirklich nicht mehr.
Fassen wir zusammen:
- Wir haben das HMC660X ein Jahr lang falsch verstanden. Es ist eigentlich ein Plug&Play Headset für alle Smartphones und Computer, das nur absurder Weise mit einem XLR- statt Miniklinke-Anschluss ausgeliefert wird.
- Für unter 10 € kann man dies mit einem handelsüblichen Adapterkabel beheben.
- Der Klang ist dann derselbe wie bei unseren bisherigen Lösungen und damit auch derselbe wie bei einem 300€ DT297.
- Es bietet sich daher als die einfachste Lösung an, um irgendwen im Podcast-Team schnell mit gutem Sound zu versorgen – es ist sogar einfacher in der Handhabung als ein USB-Headset.
- Solo-Podcasts können mobil überall in Spitzenqualität aufgenommen werden, ganz ohne zusätzliche Geräte.
Einschränkungen:
- Bevor jetzt alle bisherigen Zweifler direkt auf „kaufen“ klicken: Es gelten nach wie vor die baulichen Einschränkungen des HMC660, die „build quality“ kann in keiner Weise mit einem DT297 mithalten. Aber eben der Klang, und sehr viele Headsets laufen seit fast einem Jahr da draußen sehr stabil und problemlos. Meine drei Exemplare sind immer noch vollständig tadellos, von „fällt nach drei Aufnahmen auseinander“ keine Spur.
- Es kann ferner Sinn machen, noch ein paar Tage zu warten: ich habe eine Anfrage bei Thomann laufen nach „Sendegate-Bundles“, vielleicht tut sich da noch was, ebenso bringen @sreimers und ich noch das Manual für die Integration auf iOS raus
- Das HMC660 verzerrt etwas früher als das DT297. Daher ist es von Vorteil, einen Blick auf den Gain zu haben, vor allem aber diesen einstellen zu können. Unter iOS gibt es einige Recording-Apps die das gut können, etwa Ferrite, auf dem Rechner muss man dazu in die Mikrofoneinstellungen der Betriebssysteme gehen.
- Dieses Setup ist KEIN Ansatz, um MEHRERE Sprecher an einem Ort gleichzeitig in ein Mehrspur-Recording zu holen, sondern nur für Einzelsprecher oder Remote-SprecherInnen über StudioLink/Mumble/Skype.
- Wie im Video zu Routing ausgeführt, hat man Nachteile in Bezug auf die Latenz beim Verzicht auf ein dezidiertes Soundinterface, da es kein lokales Monitoring ginbt und die eigene Stimme etwas zeitversetzt zu hören ist. Auf iOS ist das nicht wirklich hörbar, bei der Afunahme mit Ultraschall kann man die Latenz anpassen wie im Video gezeigt. Das HMC660 verhält sich hier aber nicht anders als jedes andere (Gaming)-Headset, ist dann also mit Sicherheit keine Verschlechterung zum bisherigen Status-Quo.
- Für den Einsatz am Rechner würde ich daher immer noch das Behringer Xenyx 302 empfehlen für Leute, die zumindest ein bisschen Zeit und Arbeit investieren können.
Schaut auf unserer kleinen Ultraschall-Assembly auf dem 33c3 im Sendezentrum vorbei: der @fernsehmuell erklärt dort den Aufbau, und hat auch Material für Mitnehm-Kabel dabei!
Wenn Ihr schon ein HMC660X habt und nach diesem Hack für 48V Phantomspeisung angepasst habt: der Trick mit den Adapterkabeln funktioniert auch dort problemlos!
Dank der Tests von @metawops wissen wir: es läuft auch am iPhone 7 über den mitgelieferten Adapter sowie am neuen MacBook Pro (late 2016 mit Touchbar).
Fazit: mehr kann ich Euch wirklich nicht mehr bieten, einfacher geht es nicht, macht in 2017 endlich guten Sound!
Links:
- Das Superlux HMC660X bei Thomann (Affiliate Link von mir, kommt vielleicht noch im Sendegate Bundle)
- Immer dazu bestellen: das flauschige Velour-Pad für die Ohren
- Das TRRS Adapterkabel für iPhone, iPad, MacBook etc.
- XLR zu Miniklinke Adapter oder auch hier https://www.amazon.de/gp/product/B00006JABX?ie=UTF8&tag=rstockm-21&camp=1638&linkCode=xm2&creativeASIN=B00006JABX
- Wem Geld egal ist: es gibt die beiden Komponenten des Kabels auch in einem: https://www.amazon.de/gp/product/B01DTM8SJA/ref=as_li_tl?ie=UTF8&tag=rstockm-21&camp=1638&creative=6742&linkCode=as2&creativeASIN=B01DTM8SJA&linkId=ebdae2dc3093c09f17faba98fdc042a7
- unter Windows empfiehlt sich eigentlich immer der Einsatz von asio4all, um die interne Latenz der Audiokette niedrig zu halten.