Erinnert sich noch jemand an Clubhouse? Genau, das war dieser Echtzeit-Audio-Chat-Konferenzdienst, der vor einem Jahr mal wichtig war. Mittlerweile versucht Twitter mit Spaces etwas ganz Ähnliches.
Was mich damals enorm gestört hat: was für eine schlechte Audioqualität dort die allermeisten Sprecher:innen hatten. Kein Wunder: sprachen sie doch in ihre iPhones, oder noch schlimmer: in Bluetooth Kopfhörer mit pseudo-Mikros.
Dort einfache Abhilfe zu schaffen, war aber gar nicht so einfach - Clubhouse war, und Spaces ist: an iOS gebunden. Auf einem PC/Mac mit vernünftigem Soundinterface und Headset war dort kein Blumentopf zu gewinnen, die Apps liefen nicht.
Ich habe dann - angespornt durch @ralfrottmann und seinem Blogposting:
mich daran gemacht, das Setup mit meinem XENYX 302 USB nachzubauen. Das lief dann auch, aber das Kabelsetup war ähnlich umfangreich wie bei meinem Namensvettern, also etwas für Nerds - aber nichts, was man Leuten ernsthaft empfehlen wollte.
Nun bin ich durch dieses Posting von @Jambo auf ein Interface aufmerksam geworden, das einen Schlag viele, viele unserer Setuprobleme löst - auch und gerade im Mobilbereich.
Wir reden vom: iRig Stream
Was zeichnet dieses - immerhin doch 85 € kostende - Gerät aus?
1. Passend für das V-Moda Boompro
Das V-Moda Boompro Mikro hat ohne wenn und aber das HMC660 Superlux als „GoTo“ Mikro für den schlanken Geldbeutel abgelöst. Gegenüber dem HMC hat es den besseren Klang, vor allem ist es absolut störunanfällig.
Wie das HMC benötigt es als Kondensator-Elektret Mikro eine ca. 5V Spannung um gut zu klingen (48V Phantomspeisung sind sehr viel zu viel und klingen grausam). Diese liefert das iRig Stream. Es klingt genauso sauber und rauscharm, wie man es etwa vom XENYX kennt. Hier ein kurzer Eindruck, aufgenommen mit der Auphonic-App auf dem iPhone:
2. Anschlüsse für iPhone, iPad, USB-C und USB
Es werden gleich drei Adapter mitgeliefert, die dank PS2 DIN Anschluss (etwas old school) dann eine robuste Verbindung herstellen.
Damit meldet sich das iRig als Class-C Device ohne Treiber wahlweise am iPhone, iPad, Mac oder PC als Soundinterface an.
3. Endlich: Direct Monitoring
Das eigentliche Killer-Feature des kleinen Kastens: endlich die eigene Stimme während der Aufnahme klar und deutlich und latenzfrei hören. Man kann überhaupt nicht überbetonen, was für einen Einfluss das auf die eigene Sprechweise hat - man bekommt eine Rückmeldung wie laut man spricht, kann dadurch besser betonen und gewöhnt sich nebenbei an den Klang der eigenen Stimme, die dann im Schnitt gleich weniger fremd klingt. Wo immer man zu welchem Anlass auch immer in ein Mikro spricht: es sollte Direkt Monitoring geben. Dies war unter iOS bisher entweder gar nicht (je nach App) oder mit zu großer Latenz (Echo-Effekt) möglich oder eben mit komplizierten Routing-Aufbauten wie oben gezeigt.
Das iRig Stream hat immer ein sauberes Monitoring aktiv, endlich, endlich endlich - egal in welcher App. Nimm man am Rechner etwa mit Ultraschall auf, kann man dem Soundcheck guten gewissens ausrichten „kann Direct Monitoring“:
4. Ultra-mobil ohne Netzteil oder Akku
Das Gerät bezieht seinen geringen Strombedarf direkt vom iOS Gerät oder Rechner. Damit kann man es problemlos etwa mit dem iPhone durch die Gegend tragen - was ganz neue Aufnahmesituationen ermöglicht, siehe unten.
Zusammen mit dem ebenfalls kompakten Termichy-Kopfhörer hat man ein Podcast-Studio, was man in der Jackentasche (!) transportieren kann - ohne Kompromisse beim Aufnahmeklang machen zu müssen.
Weitere passende Kopfhörer für das BoomPro sind je nach Anwendungsfall oder Geldbeutel hier zu finden:
Auch wenn die Akkus von Smartphones und Tablets mittlerweile wirklich lange halten, möchte man für lange Aufnahmen vielleicht doch etwas Sicherheit haben. Dazu hat das iRig einen Stromanschluss. Anstatt des aburd teuren (59€) Originalnetzteils greift man lieber zu dem hier für knapp 10€:
Einer der 10 (!) beiliegenden Adapter passt gut, auch wenn ich noch eine Zugentlastung bauen würde wenn ich es durch die Gegend trage. Man kann das iRig dann entweder mit dem iPhone-USB-Ladekabel speisen oder eine beliebige Powerbank anschließen, hier mal beides zu sehen:
Nebenbei wird auch noch das Smartphone aufgeladen, feine Sache.
5. Anwendungsfälle
Die Flexibilität des iRig Stream erreicht so kein anderes, mir bekanntes Gerät:
5.1 Am Rechner - Podcasting
Durch die tadellose Soundqualität kann man es als vollwertiges Sondinterface für Solo-Aufnahmen verwenden. Es ist viel einfacher aufgebaut als das XENYX, hat aber alle relevanten Einstellmöglichkeiten für Gain und Kopfhörerlautstärke. Zusammen mit einem Notebook ist man hier extrem portabel unterwegs.
5.2 Am Rechner - Konferenzen
Auch wenn Homeoffice weniger wird: mit dem iRig und dem Boompro überzeugt man in jeder Videokonferenz durch perfekten Klang.
5.3 Zum Verschicken
Es ist mittlerweile gar nicht so unüblich, dass Podcast-Hosts ein Hardware-Setup zu Interview-Gäst:innen schicken. Der @GNetzer betreibt das etwa meines Wissens nach immer noch regelmäßig. Das hier lässt sich nun wirklich leicht verschicken, und muss auch viel weniger erklärt werden als ein XENYX oder andere große Interfaces:
Vor allem aber, wie auch im Bild zu sehen - können es die Gäst:innen auch am Handy anschließen:
5.4 Mobiles Podcasting via StudioLink QuickWeb
Ein Handy hat jede(r), ein Rechner wird oft nicht gut verstanden, spätestens wenn es darum geht, das Soundinterface zu wechseln. Schließt man das iRig am iPhone an, wird es direkt von StudioLink QuickWeb erkannt und kann ausgewählt werden:
Niedrigschwelliger geht es also nicht: die URL über QuickWeb verteilen, Gäst:in klickt Link auf dem iPhone an, Browser öffnet sich mit Quickweb, iRig ausgewählt und los geht es - in echter Studio-Qualität.
Diese Ultra-Mobilität ermöglicht dann noch etwas ganz anderes:
5.5 Nicht-stationäres Podcasting
Das Setup ist so mobil und unabhängig, dass man damit auch problemlos während der Aufnahme durch die Gegend laufen kann. Und zwar: auch mit mehreren. Bisher war man dazu auf absurd teure Funkstrecken angewiesen, die bei 500 € anfingen. Pro Gerät. Mit diesem Setup ist das für 120 € realisierbar. Einfach zu Hause eine QuickWeb-Session starten, dann vor Ort den Link anwählen und gemeinsam eine mobile Podcast-Konferenz abhalten. Vermutlich ist die Latenz etwas zu hoch, in dem Fall würde man die Mikros ohne Monitoring/Kopfhörer laufen lassen.
5.6 Solo-Podcasts mit dem Smartphone
Es gibt etliche gute Soundrekorder-Apps für iOS und Android - etwa Auphonic oder Ferrite. Damit steht der unproblematischen Aufnahme unterwegs nichts mehr im Wege.
5.7 Clubhouse und Co
Ja, auch das geht natürlich endlich, um die Klammer zum Anfang zu schließen. Endlich klingt man dort gut und kann sich selber hören. Und das Setup ist so leicht, dass man problemlos in der Wohnung damit herumlaufen kann.
6. Sonstiges
Eigentlich ist das iRig Stream für Streaming gedacht - hence the name. Das Szenario ist hier, etwa von einer Videospielkonsole das Audio vorne über die beiden Chinch-Eingänge einzumischen und mit dem eigenen Kommentar über Rechner oder Smartphone zu streamen. Ein möglicher Anwendungsfall für uns wären Einspieler oder Jingles - ansonsten ignoriert man den zusätzlichen Eingang einfach.
Etwas sonderbar ist, dass der zentrale „LEVEL“ Drehregler nochmal hinter dem Mic-Gain geschaltet ist - ein Mischregler zum Computer-Audio wäre hier der naheliegendere Weg gewesen. In der Praxis ist das aber kein Problem, beliebige Mischungen sind einstellbar und einmal eingestellt dreht man eh nicht mehr daran herum.
Es gibt auch noch eine „kleine Variante“ des iRig:
Der Hauptunterschied: das Solo fungiert nicht als eigenständiges Soundinterface, sondern stellt ähnliche Funktionen allein auf Basis von Audio-Routings analog her. Dafür wird es dann mit zwei Baterien betrieben. Der Klang ist etwas verrauschter, und das ganze Handling fühlt sich weniger stabil und wackelig an. Auch für die Anschlüsse braucht man dann wieder Spezialadapter - darum würde ich empfehlen lieber etwas mehr Geld investieren und die große Variante zu nehmen.
7. Fazit
Es hat viel zu lange gedauert, bis wir dieses Gerät entdeckt haben - das scheint seit über 2 Jahren im Handel zu sein. Wie schon das V-Moda Boompro scheinen die wirklich relevanten Innovationen für uns derzeit aus dem Gaming-Bereich zu kommen. Aber immerhin: endlich endlich fallen die Puzzlestücke zusammen, und es gibt eine preiswerte Aufnahmekette mit tollem Klang und absurd hoher Flexibilität.