Ohne dass ich die Debatte abwürgen wollte: in vielen Punkten drehen wir uns jetzt hier im Kreis, wie auch schon von anderen bemerkt wurde.
Ich versuche mich mal an an einer Zusammenfassung der relevanten Streitpunkte:
Ist das jetzt Pro?
Hier geht es letztlich ja um solche Begriffe wie “Deutungshoheit”. Wenn auf der einen Seite dem Sendegate attestiert wird elitär und zu “pro” zu sein in den Ansprüchen, auf der anderen Seite dann viele hier sagen “für uns ist dieses Gerät eindeutig nicht pro” könnte man darauf ja hören. Letztlich ist es aber eher eine Frage des Marketings: will man es Rode durchgehen lassen, dieses Gerät, obwohl es ein zentrales Feature (Multitrack) vermissen lässt, dennoch “pro” zu nennen. Und da würde ich sagen: dieses Gerät verbindet auch ohne Multitrack schon so viele originelle Ideen, dass man es schon auch “Pro” nennen kann. Ich würde es nicht tun, und ich finde es gut, dass es hier einen Ort gibt, an dem sich die Leute darüber jenseits von “shut up and take my money” informieren können. Aber man kann es “Pro” nennen, es ist nun mal die erste wirklich auf Podcasting zugeschnittene Interface-Hardware überhaupt.
Ist das für Einsteiger geeignet oder nicht?
Hier widerholt sich für mich gerade das Muster, das ich seit Jahren mit Audacity verbinde. Aus meiner Sicht ist Audacity nicht für Einsteiger geeignet, da es nur destruktiven Schnitt bietet und Fehler schwer korrigiert werden können. Ich nehme aber zur Kenntnis, dass seit Jahren da draußen tausende und abertausende PodcasterInnen komplett anderer Meinung sind. Für die ist destruktiv/nicht-destruktiv ein Kriterium von dutzenden, nicht aber das Entscheidende.
So wiederholt sich das jetzt für Multitrack: wir sagen, ich denke zu recht, nur mit Multitrack kann man ordentlich Auphonic beliefern und überhaupt einen Podcast sinnvoll schneiden. Wenn jetzt aber Rode sagt “Auphonic braucht ihr nicht, das ist alles im DSP im Gerät verbaut, und Schneiden sollt ihr auch nicht weil ihr schon die ganze Sendung dank guter Bedienung (Fader für Jingles, Ducking etc.) hinreichend gut produziert bekommt” so haben sie da doch schon einen Punkt. Das ist eine andere Art von Podcasting als wir es hier vielleicht empfehlen, ja. Aber ich würde etwa auch Rogue Amoeba jederzeit zugestehen, dass sie eine absurd einfach zu bedienende und einsteigerfreundliche Welt entwickelt haben für Podcasts: https://rogueamoeba.com/audiohijack/ hat nix mit uns hier zu tun, aber ist schon auch leider geil. So einen Spot kann der Rodecaster mit einiger Sicherheit auch für sich beanspruchen (Tests ausstehend).
Ja aber der Preis!
Nun niemand wir gezwungen, das Teil zu kaufen. Ich sehe generell schon eine Gefahr, dass Leute durch Marketing und Peer-Groups (Influencer!) “überredet” werden hier mehr Geld auszugeben als sie vielleicht bräuchten. Darum finde ich es auch wichtig, so etwas hier breit zu diskutieren, und das auch in der nötigen Klarheit und manchmal auch Schärfe. Aber am Ende des Tages müssen erwachsene Menschen das dann schon selbst entscheiden dürfen.
Warum sehe ich Rode trotzdem kritisch?
Mit zwei Punkten kann ich mich nach wie vor nicht abfinden: 1. warum verschweigen sie es im Marketing. Ich halte das für grundfalsch, muss aber zum Glück auch keine Firma leiten. Den Vergleich mit t.bone lasse ich nicht gelten - nur weil es andere auch falsch machen, bleibt es doch immer noch falsch. 2. es wäre doch so einfach gewesen - warum haben sie es nicht einfach für die Profis implementiert, ohne eine große Welle darum zu machen? Hier bin ich ratlos. Ich ahne, dass es auch etwas mit ihrem Streaming-Konzept zu tun hat (über das man noch nichts weiß?) sprich damit, dass Software und Mac und Windows verwirrt reagieren kann, wenn ein Interface nicht nur einen Stereo-Kanal anbietet sondern multitrack. Vielleicht hätte man hier dann in der Entwicklung größeren Aufwand betreiben müssen; vielleicht wird man das irgendwann einmal erfahren.
Das Sendegate ist ein hochnäsiger Ort von Nerds ohne Bodenhaftung!
Na zum Glück - es gibt genug andere Communities und Foren wo sie sich seit Tagen weinend in den Armen liegen über das Gerät und niemand jemals das Wort “multitrack” fallen lässt. Wie ich oben schon mal schrieb, stehe ich dazu, dass wir hier auch mal etwas hartnäckiger nachfragen und nicht jede PR gleich 1:1 übernehmen. Den guten Ton haben wir hier dabei nur selten verlassen, und dies ist dann doch auch nur eines von tausenden Themen im Sendegate. Einen Generalverdacht finde ich eher unangemessen.
Gefährlich wird es nur, wenn wir zu absolutistischen Dogmen neigen. Ich bin selbst schon genervt davon, wenn mir reflexhaft vorgeworfen wird, ich würde immer nur einen “Gold-Standard” gelten lassen und alles andere verdammen. Ich nehme mir schon das Recht heraus für das Gute, Wahre und Schöne zu werben - aber das ist eben letztlich auch nur eine subjektive Sichtweise, und es gibt andere Wege zum Glück, siehe Audacity. Ich finde hier hat @UliNobbe oben den Nagel auf den Kopf getroffen: bunt ist gut, es lebe der CSD!
tl;dr: Erwachsene Menschen können kaufen, was sie wollen. Dieser Thread leistet, bei aller Kritik, einen Beitrag dazu, dass sie fundiertere Kaufentscheidungen fällen können.