Hello!
WDR2-Dauer-Radiobeschallung und Hörspielcassetten formten meine Hörgewohnheiten. Irgendwann als junger Erwachsener merkte ich, dass ich die oft deprimierenden oder hirnerweichenden Inhalte nicht mehr hören wollte, wandte mich zunächst dem Deutschlandfunk zu, schaffte den Fernseher ab, und erforschte letztlich die Einsamkeit und Stille des Lebens ohne Stimulation durch elektrische Medien. Dann kam eine mehrjährige Zeit des tiefen Umbruchs, in deren Spätphase ich auf Podcasts stieß. Seither habe ich es fast verlernt, ohne Knopf im Ohr durch die Welt zu gehen.
Allen pubertären Humor, den ich vorher nie lustig gefunden hatte, holte ich mit Not Safe For Work nach. Ich lernte, dass sogar Männer respektvoll miteinander sprechen können, und zwar nicht nur über Fußball oder Geld oder Leistungsansprüche oder unter dem entwürdigenden Einfluss von Alkohol. Ich lauschte stundenlangen Erklärungen von Experten zu technischen, kulturellen und gesellschaftlichen Themen. Gespräche ohne Zeitlimit und ohne Kampfhandlungen. Mit Meinungsäußerungen, die sich auch als sachlich falsch erweisen können, aber dennoch aus dem Inneren vorgetragen werden. Ohne halbstündliche Nachrichtensendungen, die mir die Schlechtigkeit der Welt immer und immer wieder in die ohnehin blutenden Wunden der Seele reiben.
Bald der obsessive Wunsch, selbst dazu zu gehören. Hindernis: Ich rede sehr ungern. Reden bedeutet, etwas in die Welt zu bringen, das vermutlich kritisierenswürdig ist, weil ich als Mensch nicht allwissend bin. Und mit Kritisiert-Werden weiß ich bis heute nicht umzugehen. Meine Kernkompetenzen sind Zuhören und Lesen ‒ unproduktive Tätigkeiten, die sich schlecht verkaufen lassen.
Ich habe fast bis zum Ende im Schulorchester gespielt (zuletzt Tenor-Blockflöte), mir dann Schlagzeug und Synthesizer (insb. Roland JD-800) beigebracht, Behringer-Mischpult, SM58-Mikrofon und sonstigen Audio-Kram zu bedienen gelernt. Musik bleibt für mich wichtig, aber seit Podcasts nicht mehr so wichtig wie früher.
Am Rechner habe ich unter Windows 98 sicherlich Wochen an Lebenszeit mit dem Schneiden und Archivieren von zuvor aus dem laufenden UKW-Programm aufgezeichneten Radiosendungen verbracht. Eine dieser Sendungen war ein Feature des Deutschlandfunks über Ror Wolf und seine Klangcollagen „Schwierigkeiten beim Umschalten“ und „Der Ball ist rund“. Die Durchführungsklischees von Fußballreportagen sind mir seit der Kindheit vertraut. Wolf zerhäckselte deren künstlichen Spannungsbogen gnadenlos und fügte die Tonband-Schnipsel mit neuem Sinn anders zusammen. Ich entdeckte, dass das oft absurde und rein rhythmisch-dadaistisch wirkende Ergebnis meinem Humor total entspricht: Die Sprache absichtsvoll zerlegen, bis offenkundig wird, dass man alle möglichen Bedeutungen konstruieren kann, die vom Sprechenden nie intendiert waren.
Und genau diese Art von Humor kam dank @david_1701 am Anfang jeder Folge von MobileMacs! Ich war gefesselt und hörte alles, obwohl ich keine Affinität zu angebissenen Äpfeln, sondern allenfalls zu Pinguinen habe.
Dann erschienen die Wikigeeks und sprachen ins Netz. Lange und ergiebig. Irgendwann nahm ich mir ein Herz, suchte prägnante Textpassagen zusammen, garnierte sie mit aus der Hörvergangenheit entnommenen Zitaten und kollektiven Erinnerungen sowie mit Musik, und sandte das Resultat an Claudia und Ralf. Am Ende von jeder der letzten ca. 10 Episoden der Wikigeeks könnt ihr Derartiges hören. Es sind ein-zwei gute Sachen dabei.
Auf dem 30c3 hat ein freundlicher Mensch ein Gespräch mit mir aufgenommen und sogar veröffentlicht, und damit ist mein Bedarf, in Mikrofone zu sprechen, völlig gedeckt. Es können nicht alle reden. Ihr macht das gut. Wenn es geht, helfe ich im Hintergrund. Ich höre euch derweil zu.
Übrigens: Mein idealer Wunsch-Podcast verbindet die Klangkulisse der Schönen Ecken und von NPRs RadioLab mit der vollendeten äußeren Form von KonScience, der Professionalität von Holgi und dem Anekdoten-Reichtum von DamalsTM.