Was ist Sendungsbewusstsein?

Hallo ihr Lieben,

vorab: ich weiß, dass die Community-Kategorie nicht wirklich treffend ist, aber so etwas wie “Podcast-Wissenschaft” gibt es ja hier (noch) nicht. Deshalb einfach eine Frage an die Community in der Community-Kategorie.

Ich bereite gerade eine Studie vor, in der es u.a. um die Fragen gehen soll, wer überhaupt podcastet und vor allem, warum. In Gesprächen und Ideensammlungen bin ich immer wieder über das Konzept des “Sendungsbewusstseins” als möglicherweise inhärente Eigenschaft von Podcastern gestoßen. Problem: das ist kein psychologisches Konzept und außerhalb von Personen mit journalistischem Hintergrund scheint es auch nicht wirklich etabliert zu sein. Meine Recherche blieb nämlich auch recht erfolglos. Außer, dass sich Menschen mit hohem Sendungsbewusstsein offenbar dadurch auszeichnen, dass sie sich gern mal Anekdoten für alles mögliche zurechtlegen und diese auch gern erzählen, oder ein allgemeines Bewusstsein dafür haben, was man wie am besten sagt, habe ich nicht viel gefunden.

Es gibt Fragebögen für verwandte Konstrukte (z.B. Kommunikationsbereitschaft im Alltag oder Kommunikationskompetenz), aber das scheint mir den Kern der Sache nicht zu treffen.

Deshalb die Frage an euch: wenn ihr den Begriff kennt, dann sagt mir bitte, was ihr darunter versteht. Gern mit Beispielen! Und: gibt es einen englischsprachigen Begriff dafür, mit dem ich noch einmal suchen könnte?

Ich danke euch!

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Ahoi!
Hast Du mal bei den Extraversionsskalen geschaut?

Natürlich :wink:
Das käme von den Big 5 dem am nächsten. Aber vielleicht nicht nah genug.

Gemessen daran wie introvertiert ich bin trotz Sendungen als Podcast oder im Radio, könnte Extroversion da evtl weniger ne Rolle spieln, oder?

Oder fällt das bei mir unter anekdotischer Evidenz? :wink:

Was in der Tat eine gute Idee wäre, da es ja schon einige gab, die Spannendes zum Thema Podcast geforscht haben und auch hier unterwegs waren/sind.

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Interessantes Thema. Unter Sendungsbewusstsein verstehe ich einen Modus, in den Personen mit eben dieser Kompetenz in ihrem Kopf schalten können. Dabei spielt die grudndsätzliche Intro- oder Extroversion in ihrer Persönlichkeit eigentlich keine Rolle. Meine spontanen Gedanken dazu:

  • Die Anforderungen an das Format bzw. Medium, wie etwa der zeitliche Rahmen oder Ablauf wurden verinnerlicht.
  • Leerlauf und Stille werden versucht zu vermeiden, das Gespräch wird immer am Leben gehalten.
  • Die potenzielle Zielgruppe ist stets vor dem geistigen Auge und man hat gelernt, wie sie anzusprechen ist.
  • Man hat sich auf seine GesprächspartnerInnen vorbereitet, egal ob kurzfristig und nur für eine Sendung oder langfristig durch vergangene Sendungen.
  • Sendungsbewusstsein funktioniert am besten (oder vielleicht sogar ausschließlich?), wenn alle Teilnehmende ein gewisses Maß davon aufweisen, denn:
  • Alle in der Sendung müssen miteinander harmonieren. HörerInnen merken sofort, wenn das nicht der Fall ist.

Im Online-Wörterbuch bin ich auf den englischsprachigen Begriff „sense of mission“ gestoßen, den kannte ich bislang auch noch nicht.

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Hmmm, da ist dann ja auch die starke soziale Komponente mit enthalten.
Ich dachte nur, dass jemand da etwas weiterführendes angedockt hat.

Interessant! Das heißt, du würdest sagen, dass es eher eine erlernbare Fertigkeit ist als ein Persönlichkeitsmerkmal?

Hab ich auch gesehen - wenn man aber bei Google einfach nur Sendungsbewusstsein eingibt, kommt u.a. die Definition von Wikipedia: „ Als Sendungsbewusstsein bezeichnet man die Überzeugung einer Person oder Gruppierung, die im eigenen Kreis angestrebten Wertvorstellungen, Lehren oder politisch-soziale Ordnungen auf andere auszudehnen und verbindlich zu machen.“
Ich denke, dass „Sense of Mission“ genau das beschreibt, und das ist ja nicht die relevante Definition für mich.

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Spannend, dass du das schreibst. Ich hatte tatsächlich zuerst gedacht, dass es eine spezifische Form der Extraversion sei.

Ja, auf jeden Fall.

Denkt man, erst recht, wenn solche Leute dann souverän auftreten in der Sendung.

Aber zumindest bei mir ist der Unterschied schon so gewaltig, dass ich sofort massiv introvertierter werde, wenn jemand mir Unbekanntes ins Radiostudio kommt, während ich sende.
Bei Podcasts wärs genauso, aber ich podcaste halt nie in Umgebungen, wo das passieren kann.

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In der Tat schwierig zu übersetzen, auch meine bessere englischsprachige Hälfte hatte keine bessere Idee. Ich würde auch in Richtung sense of mission oder mission awareness tendieren. Aber die Komponente „Selbstbewusstsein“ (self confidence) fehlt da meines Erachtens.

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Vielleicht doch „confident sense of mission“?

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Schwierig…
Leute mit Sendungsbewusstsein fühlen sich als “Gesandte” einer höheren Macht (im spirituellen oder tatsächlichen Sinne). Sie sind sich also ihrer eigenen Sendung bewusst, haben eine Nachricht zu verbreiten und sind davon überzeugt, dass ihre Nachricht und “das Senden” selbiger wichtig ist.

Ich bezweifle, dass dieser Begriff besonders charakteristisch für Podcaster ist, die wollen zwar auch senden, aber die wenigsten sind davon überzeugt, dass ihre Nachricht und ihre Tätigkeit einem höheren Zweck dient oder auch nur wichtig ist.

Im Englischen würde ich daher auch zu Worten wie “Being on a mission”, vielleicht in Kombination mit “Sense of self-importance” greifen…

my 0,02€

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Ja, das ist genau diese spirituelle Konnotation/Definition, auf die man oft trifft, und die ich an dieser Stelle auch als wenig passend empfinde.

Ich hatte die Verwendung im Podcastumfeld immer als ironischen Bezug auf den eigentlichen Begriff verstanden, da der Podcaster Sendungen macht und dafür auch ein Bewusstsein haben muss damit es am Ende hörenswert wird, der Begriff also (ohne die eigentliche Bedeutung zu kennen/zu nutzen) auch darauf passen kann. Gekoppelt damit, dass mancher Podcaster auch das klassische Sendungsbewusstsein hat, ergibt das den Reiz den Begriff zu verwenden.

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warum denn so unpassend? Weil religiösen Motiven oder Praktiken mit religiöser Herkunft (Verwandschaft, religiös-historischer Migrationshintergrund, was immer) etwas unmodernes, rückständiges anhaftet?

Ich würde diese Verwandtschaften nicht gleich bewerten, sondern ernst nehmen. Aufklären, Abklären, bekehren, überzeugen, usw. spielen doch alle im irgendwie verwandten Spiel mit und lassen sich eben auch auf religiöse Herkünfte zurückführen. Wer heute also Sendungsbewusstsein verspürt (wer auch immer das ist) ist eben Gesandte in (irgendwessen, möglicherweise ihrer eigenen) Sendung.

Im übrigen wird es nicht weniger religiös, wenn man Sendung mit Mission ins Englische übersetzt. Aber das nur so nebenbei, weil ich es erst mal - deskriptiv oder analytisch - wenig problematisch finde, hier Verwandschaft mit religiösen Praktiken der Mission zu sehen. Das scheint mir sogar instruktiv.

Ob das für das Podcasten allerdings so bezeichnend ist, DAS würde ich eher bezweifeln oder zumindest ergänzen. Sendungsbewusstsein haben ja mal vor allen anderen professionelle Medienschaffende (wie schon die heutige Verbreitung der Vokabel zu zeigen scheint, nach dem was du schreibst). Die Faktenchecker dieser Welt, die Bewahrer*innen der Demokratie, die Auf- und Abklärer vom Dienst, Qualitätsjournalisten und andere Verfechter ‚echter‘ Wahrheiten (that’s true). Sounds religious to me.

Oder anders: Man könnte sich etwa fragen, ob Musikerinnen - weil sie etwas vorspielen, Musik produzieren und das auch noch online, ähnliches Sendungsbewusstsein haben.
Ist da nicht Misstrauen gegenüber der Plausibilität der Anfangsannahme angebracht, dass wer Hörbares im Internet produziert, deshalb gleich „Sendungsbewusstsein“ hat?

Möglicherweise haben sie (ich, wir, du, ihr) auch einfach einen ausgeprägten Spieltrieb.
oder Kommunikationsbedürfnis.
oder Hören gerne Sachen.
haben Lust an Sprache und Sprechen.
sind technikbegeistert - mit Schwerpunkt auf Audio.

und so fort.
und sind zum Beispiel gerade deshalb Podcasterinnen und keine Radiojournalisten geworden.

Das wäre zumindest (m)ein Verständnis oder Zugang, so als Podcastwissenschaftler :slight_smile:

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Hey Moritz,

Nein. Ganz pragmatisch: weil ich als Psychologin, um valide erheben zu können, gern trennscharfe Konstrukte habe. :wink: Und ich eben vermutete, dass hier zwei Konstrukte miteinander vermischt werden, die nicht viel miteinander zu tun haben. Aber du hast schon Recht, wenn du schreibst:

Das ist ein guter Punkt, den ich so noch nicht gesehen habe (vielleicht, weil ich aus meiner subjektiven Sicht heraus, verankert in meinem persönlichen Podcasting-Stil, mich nicht als missionarisch oder gesandt sehe). Dein nächster Punkt ist aber für mich noch relevanter, und daran dachte ich auch schon, nämlich:

Ich glaube tatsächlich auch, dass Sendungsbewusstsein - in dem Sinne, wie ich ihn oben beschrieben habe - tatsächlich eher für Medienschaffende Relevanz besitzt. Kommunikationsbedürfnis ist womöglich ausschlaggebender. Aber das wissen wir noch nicht. Dafür forschen wir ja.

Aus den bisherigen Ergänzungen (danke an alle!) schließe ich aber auch: wenn Sendungsbewusstsein eine erlernbare Fertigkeit ist, und nicht, wie zuerst von mir vermutet, ein Persönlichkeitsmerkmal, dann macht die Erhebung via Self-Assessment ohnehin keinen Sinn. Dazu bräuchte man schon einen Leistungstest. Oder Hörbeispiele. Oder oder… das sprengt den Rahmen der geplanten Studie deutlich. Insofern überlasse ich das lieber anderen Podcastforschenden (von denen hoffentlich gerade im psychologischen Bereich noch einige aus dem Boden sprießen werden). Wird auch so schon interessant genug. :sunglasses:

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also ich bin sehr gespannt, was ihr da so herausfindet!

ja genau, ich auch nicht, aber eben: es soll ja leute geben, die sendungsbewusstsein haben. hab ich gehört :slight_smile: und es gibt ja immer mehr professionelle, die jetzt auch podcasts machen… am ende fangen die wieder an zu bloggen.

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Für mich ist Sendungsbewusstsein eher negativ konnotiert. Ich schreibe es mal ganz platt und hoffe, dass das hier niemand in den falschen Hals bekommt:

Sendungsbewusste halten sich selbst für wichtig und relevant und benötigen die Bestätigung von außen, um dieses Selbstbild aufrecht zu halten. Introvertierte versuchen dabei das Bedürfnis nach Aufmerksamkeit/Anerkennung möglichst unsichtbar zu machen, zum Beispiel durch Tiefstapeln und nichts an die große Glocke hängen. Entdeckt zu werden, ohne groß dafür geworben zu haben, ist die größte Ehre.

Wie gesagt, sehr platt und eindimensional sowie höchst subjektiv, da ich mich bislang nie mit denn Begriff auseinandergesetzt habe.

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Schönes Thema hier. Ich sehe Sendundungsbewusstsein vor allem auf der Seite des Gastes im Podcast. Ich verlange es sogar. Dabei rede ich eher von Wissenspodcasts, bei dem man jemanden besucht, der etwas Bestimmtes weiß. Ich möchte, dass diese Person erzählen möchte, und das Erzählte auch senden oder gesendet haben möchte. Keinesfalls möchte ich jemanden besuchen, der diese Verantwortung mir zuschieben möchte. Ich als Gatekeeper. Um dann auch noch herumzumäkeln, was alles nicht gesendet werden sollte aus dem Gespräch, und daher raus muss. Public Relations mit Message Control fallen daher alle raus bei mir als Gäste, eben weil diese Leute nicht sendungsbewusst sind. — Für mich selbst als Host hat das Wort „sendungsbewusst“ keine Bedeutung.

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Vermutlich evangelism in Bedeutungsübertragung, aber das führt mit Sicherheit auf Abwege. Ich würde mal „knowledge sharing intention“ oder „knowledge sharing“ allgemein probieren.

Äh, das ist eher Sendebewusstsein. :slight_smile:

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