Passt meiner Meinung nach nicht.
Sendungsbewusstsein ist viel mehr als Missionierung. Sendungsbewusstsein geht einher mit einer gewissen (ungerechtfertigten) Arroganz und Selbstüberschätzung. Jemand mit Sendungsbewusstsein drängt sich auf und entscheidet für seine Empfänger und über deren Kopf hinweg, dass die eigene Nachricht relevant und wichtig ist.
Evangelisten verbreiten eine Nachricht, aber längst nicht alle treten sendungsbewusst auf.
Schau Dir die Leute in der FuZo an, die für die Zeugen Jehovas missionieren. Das ist deren Gottesdienst. Bis auf wenige würde sich keiner von denen anmaßen sich selbst über andere zu stellen und selbst diejenigen die an der Tür klingeln lassen sich mit einem freundlichen “Nein Danke” weiterschicken.
Menschen mit Sendungsbewusstsein sind überzeugt “auserwählt” zu sein und drängen sich aktiv auf. Sie meinen zu wissen sie sind wichtig und ihre Nachricht eben auch.
Missionierung geht da oft Hand in Hand aber Du kannst das eine ohne das andere haben.
Menschen, die in sektenähnlichen Strukturen zur Mission angehalten sind und das nicht aus eigener Überzeugung tun oder die sich einfach darin eingerichtet haben, dass ihre Botschaften kaum überzeugen und es sich um einen Gemeinschaftsdienst handelt, der eigentlich nach innen gerichtet ist, sind nicht der Kern der religiösen Mission. Missionare waren ja gerade diejenigen, die man aus dem Bereich der sozialen Kontrolle zu den Ungläubigen geschickt hat und die dementsprechend aus eigener Überzeugung heraus motiviert sein mussten (daher missionarischer Eifer).
Aber es muss auch kein offensives Werben sein. Ein Angebot immer weiter aufrechtzuerhalten, obwohl es schon oft abgelehnt wurde, lässt durchaus auf Sendungsbewusstsein schließen. Das innere Gefühl der Überlegenheit der eigenen Position allgemein oder zu einem spezifischen Thema kann stabil vorhanden sein, ohne dass es aggressiv nach außen kommuniziert wird. Dass man auf den richtigen Zeitpunkt wartet, um die eigenen Überzeugungen weiterzugeben anstatt sie ständig zu propagieren, ist dann eher eine Frage des Kommunikationsstils.
Ich glaube nicht. Sendebewusstsein ist vermutlich nur eine seltene Variante oder Falschschreibung von Sendungsbewusstsein. Aber das was Kai beschreibt, würde ich nicht Sendungsbewusstsein nennen. Es ist eher so eine Art Sendehaltung, ein Bewusstsein beim Senden. Daher der Vorschlag es Sendebewusstsein zu nennen.
Sendungsbewusstsein ist abgeleitet von der meines Erachtens ursprünglichen religiösen Bedeutung eine Art Mitteilungsbedürfnis, dass sich aus der Überzeugung von bestimmten Ideen ergibt. Daher auch der Verweis auf “knowledge sharing intention”. Das geht auf irgendwelche Handlungsmodelle zurück, unter welchen Bedingungen Menschen Wissen mit anderen teilen.
Interessant wie viele zum Teil doch eher negative Interpretationen zum Begriff hier gehandelt werden. Ich habe unter Sendungsbewusstsein immer den Umstand verstanden, dass man sich „des Sendens bewusst“ ist. Sprich ich weiß sehr genau, dass ich in der Öffentlichkeit stattfinde und wäge meine Äußerungen entsprechend ab. Wenn jemand durch seinen Podcast, aber auch im Rahmen anderer Medienformate eine öffentliche Rezeption entwickelt, wird das gerne mit einer gewissen Verantwortung assoziiert. Sich diesem Anspruch gemäß reflektiert zu verhalten ist für mich Kernelement eines Sendungsbewusstseins: man schätzt die Wirkung der Inhalte ein und sagt Dinge vielleicht auch gezielt nicht, um eine bestimmte Reaktion zu provozieren oder eben nicht zu provozieren.
Letztlich ist das, was sich Medienprofis im Verlauf ihrer Karriere aneignen für mich genau das. Genaue Trennung zwischen privater und öffentlicher Kommunikation.
Ich hatte das auch eher synonym verwendet. Den Vorschlag, zwischen Sendungs- und Sendebewusstsein zu differenzieren, erscheint mir logisch. Allerdings sollte man für eines davon vielleicht einen neuen Begriff finden – die klingen doch zu ähnlich.
Dass die Interpretationen allgemein hier in so unterschiedliche Richtungen gehen, finde ich interessant. Das eher negativ konnotierte „Mitteilungsbedürfnis“ ist mir als Hörer natürlich auch bekannt, aber ich hatte ich wollte es absichtlich nicht zum Sendungsbewusstsein zählen.
Tja… Sendungsbewusstsein habe ich schon öfter gehört aber genau NIE im speziellen Zusammenhang mit Radioleuten… Der Wikipediaeintrag spricht nicht umsonst davon, dass Sendungsbewusstsein eine Grundzutat zur Bildung von Ideologien ist
Aber wenn man das alles nicht kennt und nur das Koffer Wort aus “Sendung” und “Bewusstsein” nimmt, dann wäre Deine Definition viel logischer…
Mich würde dann interessieren, haben diejenigen von euch, die mein Beispiel dann offenbar nicht als Sendungsbewusstsein bezeichnen würden, einen anderen Namen, für den hier gezeigten Antrieb sich einzubringen?
Und zur Sicherheit ich finde Sendungsbewusstsein nicht negativ besetzt. Ehrlich gesagt für alle, die Podcast nicht aus einem kommerziellen, beruflichen oder sonstigen Sachzwang heraus betreiben müssen, kann ich mir eigentlich nicht vorstellen, warum man ohne Sendungsbewusstsein damit anfangen sollte.
Aus dem selben Grund aus dem man auch Berge besteigen kann ohne ehrgeizig zu sein.
Ich persönlich bin nicht der Meinung gesandt zu sein oder auch nur besonders gut und die Dinge, die ich zu sagen habe sind vielleicht gelegentlich unterhaltsam oder interessant aber sicherlich muss die nicht jeder hören.
Meine Podcasts machen mir Freude, die Reaktionen spornen mich an und ich habe Spaß am Lernen und Besserwerden. Mich fasziniert die Möglichkeit ein eigenes Medium zu bespielen und vielleicht habe ich auch einen narzistischen Persönlichkeitsanteil den ich auf die Art massiere.
Nichts davon hat mit Sendungsbewusstsein zu tun. (hoffe ich )
Ah ja spannend. In der Tat scheint die klassische Definition des Begriffs mit meinem Verständnis wenig zu tun zu haben. Die Frage ist nur: gibt es für meine Interpretation ein passenderes Wort? Und was genau interessiert eigentlich die TE davon?
Naja, ich kann mir auch andere Motivationen vorstellen, aber ein innerer Antrieb wird sich meistens als Ehrgeiz darstellen.
Aber ich verstehe den Einwand. Ich glaube für mein Sprachgefühl hat der Begriff „Sendungsbewusstsein“ eine typische Entwertung durchgemacht. Entwertung zu verstehen als Abschwächung der gemeinten Intensität, zum Beispiel durch Übertreibung und Ironisierung in der Begriffsverwendung. Während Sendungsbewusstsein mal mit ideologischen Überzeugungen assoziiert war, könnte man jetzt ohne weiteres einer Person, die ungefragt einen Film anpreist, weil der so toll ist, Sendungsbewusstsein zuschreiben, obwohl da sicherlich noch ein ironischer Anklang verbleibt.
Insofern erscheint mir der Begriff als geeignete Beschreibung einer bestimmten inneren Motivation, die Kreative antreibt. Gerade auch passend für Podcaster, vielleicht weil die zu Menschen sprechen, vielleicht weil auch ich ein bisschen von der „Sende“-Assoziation beeinflusst bin. Am ehesten könnte man diese Motivation mit „etwas zu sagen haben“ umschreiben. Genauer: Die Überzeugung etwas beitragen zu können, etwas klarer zu sehen und erklären zu können als andere, etwas teilen zu wollen, was einen selbst bewegt.
Im Prinzip ist das genau das, was man mit Sendungsbewusstsein in der ursprünglichen Bedeutung beschreibt, nur eben in Anwendung auf einen, sagen wir, Teppichpodcast mit deutlich abgeschwächter Intensität. Ich würde da auf mein Beispiel verweisen und zwar das Gesprochene nicht mein transkribierter Text. Wie es gesagt wird, ist eigentlich ganz schön: Dort wird kein Eifer demonstriert, das ist nicht mit Bedeutung aufgeladen, es ist durchaus selbstbewusst und ein bisschen trotzig. Und diese emotionale Wertigkeit ist für mich mit Sendungsbewusstsein kompatibel.
Es stimmt aber, wenn man mal ein paar Wörterbücher durchschaut, dass sich diese Bedeutung dort nicht widerspiegelt. Das mag an meinem Sprachgefühl liegen oder die Wörterbücher haben in dem Punkt noch nicht zum gegenwärtigen Sprachzustand aufgeschlossen.
„Ansprechhaltung“ deckt das glaube ich zu einem gewissen Teil ab.
Als Ergänzung noch ein kleiner Zufallsfund: Eine vollkommen unironische Verwendung des Begriffs “Sendungsbewusstsein” durch Martin Rützler in Sendegarten Folge 70 (bei 36m41s), die mein geschildertes Begriffsgefühl ganz gut widerspiegelt. Da klingt von der ideologischen Assoziation nichts an. Und er münzt das noch nicht mal auf Podcasts, sondern darauf, dass seine Gesprächspartnerin eine eigene Internetseite betrieben hat. Martin sagt auch woher er den Begriff nimmt. Es der Name eines Podcasts.
Stellt sich die Frage, ob es nur ein Phänomen des hiesigen Ausschnitts der Podcastwelt darstellt…