In diesem Review möchte ich euch wie versprochen mein neues Headset beyerdynamic MMX 300 (2. Generation) vorstellen. Gekauft habe ich mir das Headset für Telefon-/Videokonferenzen sowie zum gelegentlichen Musikhören.
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Allgemeines
Das Headset wird von beyerdynamic als Gaming-Headset vermarktet. Das liegt an den beigelegten Kabeln (Verwendung am PC oder an der Konsole) und der dadurch angesprochenen Zielgruppe, ansonsten erinnert mal so gar nichts an Gaming. Keine RGB-LEDs und kein sonstiger Irrsinn.
Stattdessen eine schlichte und funktionale mattschwarze Optik mit ausgezeichneter Verarbeitung (matt beschichteter Kunststoff mit einem schlichten silbernen Aufdruck, Alu-Ringe an den Ohrmuscheln und ein Federstahl-Kopfbügel). Das Headset könnte mit anderen Anschlüssen auch als professionelles Broadcast-Headset verkauft werden. Die vorhandenen Anschlüsse sehe ich allerdings als Vorteil für uns Podcaster, dazu später mehr.
Das MMX 300 basiert auf dem Pilotenheadset HS 400 und verwendet dieselben Treiber wie der bekannte geschlossene Kopfhörer DT 770 PRO. Dadurch gibt es so ziemlich jedes Ersatzteil einzeln nachzukaufen und ich gehe davon aus, dass die Ersatzteile auch lange verfügbar sein werden – gerade das DT 770 PRO wird als Klassiker nicht mal eben abgesägt.
Das Headset wird in Deutschland (Heilbronn) in Handarbeit hergestellt.
Klang des Mikros
Eine Aufnahme sagt mehr als tausend Worte:
Insgesamt würde ich sagen, dass die Mikrofonqualität wirklich sendefähig ist.
Sorry an der Stelle für das gelegentliche Übersteuern, die 50 % Gain waren auch schon zu viel. Gemerkt habe ich das erst hinterher. Ich hoffe, ihr könnt die Mikroqualität dennoch beurteilen. Sonst bitte melden, dann nehme ich noch mal was auf.
@rstockm hatte gefragt, ob im MMX 300 dieselbe Mikrofonkapsel wie im Custom Game verbaut ist. Ich gehe nicht davon aus, dazu sind die beiden klanglich zu verschieden. Das MMX 300 ist IMO eine andere (deutlich bessere!) Hausnummer. Spannend wäre hier noch mal ein Äpfel-zu-Äpfel-Vergleichstest von Ralf.
Klang des Kopfhörers
Wie ich oben schon geschrieben habe: Verbaut sind die Treiber des DT 770 PRO (32 Ohm), das nach der Einschätzung eines Tontechnik-Bekannten in der Topliga der geschlossenen Kopfhörer spielt.
Da das MMX 300 mein bisher teuerster und mit Abstand bester Kopfhörer ist, kann ich hier selbst kein qualifiziertes Urteil bilden und mache es kurz:
Wer mit seinem Podcasting-Headset auch einen sehr guten Kopfhörer erwerben möchte und bisher keinen sehr guten hat, macht mit dem MMX 300 nichts falsch. Ich höre Details in manchen Musikstücken, von deren Existenz ich vorher nichts wusste.
Komfort
Die Bauform erinnert ebenfalls stark an das DT 770 PRO. Ich hatte das zuletzt vor einigen Jahren auf und habe keins hier zum direkten Vergleich, aber ich gehe davon aus, dass es dem MMX 300 vom Komfort sehr ähnlich ist. Ein Unterschied: Das Kopfpolster ist etwas anders (Klettverschluss statt Knöpfen).
Das MMX 300 wird ab Werk mit schwarzen Velour-Pads geliefert, die auch nach mehreren Stunden wirklich sehr angenehm sind. Etwas warm, aber nicht schwitzig (zumindest jetzt im Winter).
Der Anpressdruck ist wie beim DT 770 PRO etwas hoch. Wegen der geschlossenen Bauform und dem sicheren Sitz auf dem Kopf gibt das wohl auch Sinn. Da beides für meinen Use-Case (Voice-Recording, Musikhören) nicht kritisch ist, habe ich den Federstahl-Kopfbügel vorsichtig ein bisschen aufgebogen. Der Anpressdruck ist nun angenehm und das Headset fällt trotzdem nicht vom Kopf, wenn man nicht gerade am Headbangen ist. Das kann ja jeder für sich ausprobieren und anpassen.
Da ich eine recht schmale Kopfform habe, liegt das Kunstleder-Kopfpolster standardmäßig eher punktuell oben auf dem Kopf auf. Mich hat dieser Druck nach 30-45 Minuten gestört, sodass ich das Kopfpolster nach dieser Inspiration etwas gemoddet habe:
Ein paar Lagen eines alten Schwammtuchs aus dem Drogeriemarkt machen aus der umgedrehten U-Form des Kopfbands eine umgedrehte V-Form und verteilen den Druck gleichmäßiger auf dem Kopf. Seitdem habe ich keine Probleme mit der Passform mehr.
Eine Alternative für alle, die nicht basteln wollen, könnte das Echtlederkopfpolster des HS 800 sein, das hat bereits eine entsprechende Aussparung. Achtung: Ungetestet mit dem MMX 300.
Es soll auch Leute geben, denen das DT 770 PRO im Werkszustand 1a passt, das wird aufgrund der ähnlichen Bauform hier nicht anders sein. Your mileage may vary, im Zweifel einfach testen.
Flexibilität der Einsatzzwecke
Das Mikro ist wie das des von Ralf getesteten beyerdynamic Custom Game ein Elektret-Kondensator-Mikrofon, das sich mit Plug-in-Power begnügt und damit ohne Phantomspeisung betrieben werden will.
Geliefert wird das MMX 300 mit zwei Kabeln, die man wahlweise anstecken kann:
- Eins ist 1,2 m lang und endet auf einer vierpoligen TRRS-Klinke für Mobilgeräte, Konsolen und bspw. auch Notebooks. Meine Testaufnahme oben ist mit diesem Kabel an meinem MacBook Pro 13" Early 2015 entstanden – einwandfreie Sache ohne Zusatzequipment.
- Das andere Kabel ist 2,5 m lang und endet auf zwei dreipoligen TRS-Klinken für Mikrofon und Kopfhörer. Ein Adapter auf 6,35 mm-Klinke ist dabei. Dieses Kabel ist ursprünglich für den Anschluss am PC gedacht, lässt sich aber wie beim Custom Game sicherlich auch mit einem solchen Adapter an einem XLR-Interface nutzen:
Wie das Custom Game ist das MMX 300 also sehr flexibel einsetzbar. Unterschied: Das Mikrofon des MMX 300 lässt sich anders als das im Kabel verbaute des Custom Game nicht abnehmen. Dafür kann der Schwanenhals nach oben gedreht werden und ist dort nicht weiter im Weg. Im ÖPNV würde ich damit trotzdem nicht rumlaufen.
BTW: Von vielen Gaming-Headsets kennt man das Feature, dass das Mikrofon durch Hochdrehen stummgeschaltet wird. Dieses Feature bietet das MMX 300 nicht. Stattdessen gibt es einen Mute-Switch an den Kabeln, hierzu unten mehr.
Zubehör & die Schwächen des MMX 300
Bisher alles gut und schön, nun kommen wir zu den beiden Schwächen des MMX 300. Fangen wir mit der kleineren an:
Mitgeliefertes Hardcase
Das MMX 300 wird im DT Hardcase geliefert:
Die Verarbeitung des Cases ist ausgezeichnet und es fühlt sich sehr stabil an. Leider ist es für das MMX 300 zu klein geraten.
Ich habe die Größenverstellung auf der höchsten Einstellung, das Headset passt dann nicht mehr ins Case. Bis 2 oder 3 Stufen passt es gerade so, man sollte dann aber den Schwanenhals an die Innenseite des Kopfbands biegen. Im Foto ist es links ganz klein eingestellt und rechts mit 3 Stufen ausgezogen:
Mit angestecktem Kabel kann man es komplett vergessen, das wird meiner Meinung nach zu stark abgeknickt. Das Kabel jedes Mal abzustecken ist auch keine Lösung, die Lebensdauer jeder Steckverbindung ist begrenzt. Dasselbe gilt für die Größenverstellung und den Schwanenhals.
Das Case ist also ein Transportcase für den gelegentlichen Transport und kein Aufbewahrungscase. Dem sollte man sich bewusst sein.
beyerdynamic hat als Alternative das Hardcase Pro im Angebot, das deutlich größer zu sein scheint:
Hat jemand von euch Erfahrung damit? Wäre spannend zu hören!
Kabelprobleme
Wenn man sich die Produktbewertungen des MMX 300 bei diversen Händlern sowie die Reviews durchliest, stolpert man immer wieder über Probleme mit den Kabeln des MMX 300. Bzw. mit den darin verbauten Inline-Remotes:
Die Remotes bieten drei Features: Analoge Lautstärkeregelung durch ein Poti-Rad an der Seite, einen analogen Mute-Switch sowie einen Button, der über die TRRS-Klinke Funktionen am Gerät auslöst (üblicherweise Play/Pause, Anruf annehmen etc.).
Wenn wir mal ehrlich sind, braucht man als Podcaster keine dieser Funktionen. Die Lautstärke kann man direkt am Interface oder am Abspielgerät regeln, statt Mute kann Push-to-talk zum Einsatz kommen (was auch deutlich komfortabler ist, als jedes Mal am Kabel herumzufingern) und der Button ist mobil ganz nett, aber am PC oder Interface nutzlos.
Die Sache ist die: Die Kabel sind proprietär. Wenn ihr das DT 297 kennt, wisst ihr was ich meine. Anders als beim DT 297 haben wir es hier aber nicht mit einem seltsamen Siebenzack zu tun, sondern mit einer fünfpoligen TRRRS-Klinke. Im Endeffekt ist es eine TRRS-Klinke + ein getrennter Ground für das Mikrofon. Wie beim DT 297 lässt sich beyerdynamic das Kabel mit 45,50 € gut bezahlen. (Psst: Wenigstens sind hier zwei Kabel mit einem Ersatzteilwert von zusammen 91 € sind im Lieferumfang. Davon kann sich das DT 297 eine Scheibe abschneiden.)
Auch nach langer Suche konnte ich keinen Hersteller finden, der kompatible Headsetkabel mit TRRRS-Klinke verkauft. Bis auf Astro Gaming, nur nutzen die scheinbar eine andere TRRRS-Klinke, die deutlich länger ist als die des MMX 300. Beim MMX 300 sind beide Klinken gleich lang, dafür hat die TRRRS-Klinke schmalere Ringe. Außerdem hat die Klinke des MMX 300 einen Haltering, der in eine Nut unterhalb der Buchse im Headset einrastet:
Warum erzähle ich das alles? Wenn das Kabel defekt ist, muss ein neues Originalkabel her.
Und ein Defekt ist nach den oben schon erwähnten Reviews und Produktbewertungen offenbar kein Einzelfall. Immer wieder wird berichtet, dass die verbauten Inline-Remotes schon nach wenigen Monaten zwei verschiedene Störungsbilder zeigen: Entweder regelt das Lautstärke-Poti plötzlich die Lautstärke der beiden Ohren unterschiedlich oder der Mute-Switch wird zu einem „Kopfhörer-Signal-auf-den-Mikro-Pin-zurückschick-Switch“ (= die Aufnahme besteht plötzlich aus dem Wiedergabesignal der Kopfhörer).
Manche Bewertungen zitieren wörtlich aus Antwortmails des beyerdynamic-Supports. Hier wurde sich nicht nur einmal darauf berufen, dass beyerdynamic auf Kabel und andere „Verschleißteile“ nur eine beschränkte Garantie von 3 Monaten gibt.
Ich habe den beyerdynamic-Support per E-Mail dazu kontaktiert und folgende Antwort erhalten:
[…] mir persönlich sind auch noch keine anderen Kabel mit fünfpoligem Klinkenstecker begegnet, die bekommen wir auch fertig konfektioniert von einem Zulieferer, ich habe Ihre Mail an unseren Produktmanager weitergeleitet.
Die Probleme mit der Fernbedienung sind uns natürlich auch nicht verborgen geblieben, da beharren wir aber auch nicht auf der reduzierten Gewährleistung für Kabel aus den AGB! Wenn Kunden Probleme mit dem Kabel haben, sich bei uns melden, sorgen wir schon für kostenlosen Ersatz - aber unser Lieferant bietet dieses Kabel nicht ohne Fernbedienung an, das Ersatzkabel hat dann also wieder die gleiche Bauweise…
Auf Nachfrage, ob man sich darauf verlassen könnte, wollte man mir die Aussage zur Kulanz mit MMX 300-Kabeln nicht bestätigen.
TL;DR: Die Kabel des MMX 300 sind aufgrund den verbauten, für unseren Use-Case nicht notwendigen Inline-Remotes unnötig störanfällig und es wäre toll, wenn beyerdynamic zukünftig auch simple Kabel ohne Remotes aus seinem Zulieferer leiern könnte. Das muss möglich sein, man muss es nur wollen.
Wie ihr in der oben zitierten Antwort sehen könnt, wurde mein Feedback an den Produktmanager weitergeleitet. Ich habe das Gefühl, dort müssen einfach nur genug freundliche Anfragen ankommen, damit er mal eine Palette Kabel bestellt.
Daher mein Wunsch an euch: Wenn ihr euch auch am Gedanken stört, für ein 235 €-Headset im Worst Case womöglich alle paar Monate ein 45 €-Kabel nachordern zu müssen, teilt das dem beyerdynamic-Support mit und meldet Interesse für ein solides Kabel an. Dabei gilt natürlich: Immer freundlich bleiben.
Und wenn jemand doch ein kompatibles Drittanbieter-Kabel findet: Immer her damit!
Fazit
Meiner Meinung nach könnte das MMX 300 zu einem neuen Podcasting-Standard werden. Eine Mikrofonqualität, die sich vor dem DT 297 nicht völlig verstecken muss mit einer besseren Kopfhörerqualität und flexiblen Anschlussmöglichkeiten für einen noch bezahlbaren Preis von derzeit 235 € (gute 100 € weniger als ein günstiges DT 297-Setup mit dem Behringer Xenyx 302 USB).
Insbesondere für Solo- oder Remote-Podcaster ist das MMX 300 wirklich eine feine Sache. Im Idealfall (bspw. MacBook mit gutem eingebautem AD-Wandler) benötigt man keine weitere Hardware wie ein Audio-Interface oder Adapter, sondern kann direkt loslegen. Gleichzeitig bekommt man einen ausgezeichneten Musikkopfhörer und ein weit überdurchschnittliches Videokonferenz-Headset, das aufgrund der geringen Impedanz von 32 Ohm auch an Mobilgeräten zum Einsatz kommen kann. Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist somit für Hobby-Podcaster IMO unschlagbar.
Und die Sache mit dem Kabel bekommen wir als starke Community auch geregelt, oder?