Die letzten Wochen waren keine ganz einfachen. Zum einen haben sich nach unserem – öhm – polarisierenden Auftritt in der Freakshow mehr EntwicklerInnen als jemals zuvor für das Projekt gemeldet, und das mit ausgesprochen spannenden Profilen: da könnte jetzt noch mal wirklich was gehen in der weiteren Entwicklung.
Auf der anderen Seite hatten wir ein bisher nicht bekanntes Support-Aufkommen für die 3.0 Release. Bei knapp 1.000 Downloads erwartet man natürlich schon Probleme, was aber schon auffällig ist: die ersten Tage hatten wir wenig bis gar keine Probleme, jetzt werden es immer mehr. Und warum ich mich genötigt sehe, dies zu schreiben: die Probleme liegen zu 95% nicht auf der Seite von Ultraschall, sondern – bei euch.
Hier daher – ganz in der Tradition der „clients from hell“ mal ein Auszug dessen, was wir gerade so erleben:
- Leute können nicht bis fünf zählen. Der Klassiker, schon immer: die Installation besteht aus fünf Schritten. Fünf. Nicht drei, nicht vier – es sei denn, dass er fortfährt zu zählen bis zur fünf. Die sechs scheidet völlig aus. Was um alles in der Welt geht in Leuten vor, die einfach nach Schritt zwei (!) sagen: ach, da startet ja jetzt schon was, dann leg ich doch mal los. Und dann hauen wir genau diesen Leuten jetzt schon Alerts um die Ohren mit „Achtung, Theme fehlt, bitte Installationsanleitung befolgen“ und sie kommen dennoch nicht auf die Idee, noch mal die fehlenden Schritte nachzuholen. Das passiert pro Release nicht einmal, nicht zwei mal, nicht… – you get the idear.
- Ich bin nicht in der Lage, 5 Zeilen Text zu lesen und zu verstehen. Wenn da steht „installiere GENAU REAPER Version XY“, dann halte ich das für eine freundliche Empfehlung, und nicht für eine zu befolgende Anweisung. Tja.
- Ich installier das mal 20 Minuten vor der nächsten Sendung. Und wundere mich, dass es dann Probleme gibt und eng wird. In welcher Welt ist das je eine gute Strategie gewesen? Die Leute beschweren sich DANN darüber, dass die Release-Videos zu lang sind, weil sie haben ja nur 20 Minuten bis zur nächsten Sendung. WTF.
- Ich installiere Ultraschall auf einem Hackintosh und wundere mich… über alles Mögliche. Die Info, dass es ein Hackintosh ist, auf dem noch nicht mals eine Soundkarte läuft, verschweige ich natürlich möglichst lange bei meinen Supportanfragen.
- Ich installiere Ultraschall als „portable install“ unter Windows irgendwohin und wundere mich, dass es nicht läuft. Leider haben wir bisher übersehen, davor eine explizite Warnung abzugeben. Aber können sich die Leute nicht irgendwie denken, dass das die Ursache sein könnte für Probleme, wenn sie vom Standard-Weg abweichen?
- Ich installiere Ultraschall auf einem völlig zerschossenen Rechner, probiere mit dem Support stundenlang alles Mögliche, bis eine Reparatur des Dateisystems (!) die Lösung bringt. Immerhin.
- Der freundliche Hinweis in der Install-Anweisung, dass ein Reboot viele Probleme behebt, wird freundlich ignoriert. Bis ein Reboot die Probleme behebt.
- Leute installieren Ultraschall auf völlig ungetesteten „Beta“-Systemen – verschweigen das aber auch gegenüber dem Support stundenlang.
- Bugreports werden generell nie unter Angabe des Betriebssystems, des verwendeten Soundinterfaces etc. abgegeben.
- Die Videos sind natürlich viel zu lang! 2 Minuten. Höchstens. Mehr kann ich mir nicht anschauen. Besser nur 90 Sekunden. Und nur ein Video. Darin kann man doch alles erklären. Schafft Bibi doch auch. Und mehr Schnitte, die ganzen Denkpausen rausnehmen. Und nicht ständig alles so genau erklären, einfach nur zeigen! Und natürlich mit Untertiteln, und Transkript, und auf Englisch. Ganz wichtig.
- Dann zu guter Letzt die täglich eintreffenden, sicher gut gemeinten Hinweise, dass es nun WIRKLICH mal an der Zeit wäre, Ultraschall professionell in Englisch umzusetzen und auf US-Blog XY zu promoten. Weil dort ja Leute sitzen, die dann bestimmt keinen Support erwarten, weil sie verdienen ja ihr Geld damit. Leute ich brauche ersichtlich nicht NOCH mehr Supportprobleme, mir ist die Weltherrschaft so dermaßen komplett egal. Ich weiß, ihr wollt Teil einer Jugendbewegung sein, und Ultraschall schon cool gefunden haben bevor es den 1.000.000ten Download hatte – aber nein danke.
Kurz gesprochen: mit dem, was wir die letzten Tage unnötig an Support aufgewendet haben, hätte man eine 3.1 und eine halbe 3.2 Release mit dutzend coolen Features bauen können. LOCKER.
Nun sind wir natürlich selber Schuld: der Erfolg hat eben seine Schattenseiten etc. pp. Es ist und bleibt aber nun mal so, dass wir ein Hobby-OpenSource Projekt sind, dass keine professionelle Support-Abteilung hat: das machen wir alles selbst nebenbei.
Aber: es nervt.
Und ich denke (mal wieder) viel an dieses grandiose Video vom Open Source Burnout (unbedingter Anschaubefehl, was für ein Held!):
Daher hier ein paar Lösungsvorschläge:
- Es war ein Fehler, überhaupt auf den Mainstream zu zielen. Die Älteren unter uns werden sich erinnern: gegenüber früher ist die Installation von Ultraschall 3 nahezu absurd einfach und robust. Aber, klassisches Wikigeeks-Thema: Die Technik-Welt um Ultraschall herum wurde noch viel schneller viel einfacher. Apps haben sich mit einem Klick perfekt in Sandboxes zu installieren, zero-config. Für alles andere wird keine Geduld mehr aufgebracht. Das können wir – bei all unseren Bestrebungen – technisch mit diesem Projekt nicht leisten. Da aber ein Teil der (neuen) Zielgruppe nicht in der Lage oder nicht Willens ist, sich 10 Minuten zu konzentrieren und eine Anleitung zu befolgen, sowie eigene Spezereien im Setup zu reflektieren, muss man sich von dieser Zielgruppe wieder trennen. Ultraschall muss wieder von Nerds für Nerds werden, der Rest soll halt mit Hindenburg oder Audacity glücklich werden. Daher:
- Her mit den Ultraschall-Tupper-Parties! Es gibt kein Ultraschall mehr zum freien Runterladen – es wird nur noch von Ort von EvangelistInnen verteilt und installiert. Die zeigen dann auch gleich die ersten Schritte und lösen direkt am Gerät auftretende Probleme. Das wäre – ziemlich originell.
- Der Eignungs-Test! Noch origineller, und so schrill, dass ich mich frage, wieso das noch nie jemand gemacht hat: Es gibt noch ein Ultraschall zum Runterladen, aber nur, nachdem man einen Eignungs- und Gesinnungs-Test bestanden hat. In dem muss man erklären, dass man wirklich die nächsten zwei Tage keine Sendung mit dem Setup fahren wird, angibt was für einen Rechner man hat, beschwört dass man wirklich alle 5 Schritte der Installation befolgen wird etc. Natürlich kann man dann immer noch zuwieder handeln, und ja es ist ein bisschen albern – aber vielleicht hilft dieses „in your face“ ja doch im ein oder anderen Fall.
- Ultraschall muss wieder schwerer werden! Es war vermutlich schon ein Fehler, die Release-Videos zur 3er Version in fünf Videos aufzuteilen. Ein einziges Video, ab besten drei Stunden lang – oder gleich fünf! das wäre besser gewesen um diese hektische 2-Mnuten-Generation abzuschrecken.
- Keine Werbung mehr! Alle, die es ernst meinen, nutzen schon Ultraschall.
- Die Install muss halt noch robuster und einfacher werden! Glaubt mir, daran arbeiten wir wirklich hart. Aber es gib bei diesem „von der Seite in REAPER reinschieb“ Projekt eben einige Grenzen, an denen wir nicht rütteln können. Die werden bleiben, ebenso wie das Audio-Schnitt mit allen Spezereien eben doch auch schon ein bisschen kompliziert ist.
- Die Windows-Release wieder einstampfen. Klingt radikal, aber: vor zwei Jahren ist die Entscheidung, Windows überhaupt zu supporten, nur sehr knapp gefallen. Die Statistik sagt: auf zwei Mac-User kommt ein Windows-user: wir sehen aber ca. vier mal soviele Support-Anfragen von Windows-Usern. Und das, obwohl die Installation dort einfacher ist. Ich kann mir das nur so erklären, dass die Verbreitung von Windows-Frickel-Installationen und die Bereitschaft zum Frickeln dort deutlich größer ist. Also weg damit.
- Den Support von der Community machen lassen, damit die EntwicklerInnen entlastet werden. Das funktioniert immerhin schon mal besser als etwa vor einem Jahr – damals war die Qualität des Ultraschall-Community-Support eher hit&miss. Oder in Zahlen: bei zwei von drei Support-Anfragen aus der Community im Sendegate habe ich dann hinterher geschrieben „ja das kann man schon auch SO machen, aber EIGENTLICH ist es eher SO gedacht und optimal…“ Das ist weniger geworden, weil einige von Euch da draußen sich mittlerweile auch ziemlich gutes Wissen angeeignet haben. Danke dafür. Aber auch wenn ich das jetzt nicht mehr bei 2 von 3, sondern nur noch bei 1 von 3 denke, ist es eigentlich zu viel und sorgt dafür, dass ich probiere wenn möglich der Erste zu sein mit einer Antwort/Nachfrage.
- Mehr Dokumentation wagen! Wir brauchen eine Anleitung, und bessere Fehler-FAQs. Da werden jetzt sicher alle zustimmen nicken, nur: werden die dann von der besagten Zielgruppe wirklich gelesen, vor allem aber: wo kommen die her? Auf unseren Aufruf hier: http://ultraschall.fm/mitmachen/ haben sich wirklich viele für die coding-Jobs geworben, und zwar in allen Facetten. Aber exakt NIEMAND für den Bereich Doku und Video-Editing. Tja. Ich persönlich kann das nicht leisten, ich habe schon mit Management, LUA-Coding, Theming und UNNÜTZEM SUPPORT genug an der Backe. Ich habe da so ein paar Ideen, und auch hier im Sendegate gab es erste Initiativen – aber letztlich braucht man dann mal wirklich Leute, die ein paar Wochen (!) wirklich was wegwuppen und nicht nur reden. Und das in höchster Qualität. Normalerweise löst man sowas mit Geld:
- Mach den Support doch kommerziell und/oder betreib dort outsourcing. Been there, done that. Wie ich bei jeder Gelegenheit betone: jedes meiner bisherigen Projekte wurde in exakt dem Moment scheiße, wenn Geld ins Spiel kam. Zumindest in meiner Wahrnehmung. Kann man so machen, aber dann werde ich mich anderen Themen zuwenden und weiterziehen (wie ich es schon oft gemacht habe, und warum ich so ein fröhlicher Mensch geblieben bin).
- Support einfach einstellen. Die Software mit Doku so veröffentlichen, wie sie ist, und hier die entsprechenden Bereiche im Sendegate still legen. Auf Anfragen über Twitter etc. nicht mehr reagieren, nur noch professionelle Bugreports auf GitHub ernst nehmen. Glaubt mir: ich spiele auch mit diesem Gedanken. Das wäre eine sehr effektive natürliche Selektion.
- Ultraschall einstampfen. Na der 1. April ist vorbei also eher – nein.
Zur Fokussierung der Debatte sollte man noch klar trennen zwischen Problemen, die bei der wirklichen Benutzung auftreten, und Problemen bei der Installation. Für erstere habe ich viel Verständnis, und auch einige Ideen was man da verbessern kann. Was mich ratlos macht, sind die Probleme bei der Installation.
So jetzt kann sich hier auch der übliche Kommentar-Sermon ergießen im Sinne von „haha, haben wir gleich gesagt, so ist das halt mit diesen Open Source Projekten“. Die Leute können sich gern auf die Schulter klopfen und weiterziehen, es gibt ja wirklich genügend gute Alternativen da draußen.
Mich interessiert eher, wie man sowas repariert bekommt.