Ultraschall vs. Hindenburg

Ich recorde und schneide seit Jahren happy in Hindenburg.
Hatte Ultraschall immer auf dem Schirm und eine Mischung aus Skepsis und Angst vor Routing Matrix, etc.
Mit Corona-Zeit und dem Magic Routing in der Version 4 habe ich mich doch herangewagt und die letzten vier produzierten Folgen Hindenburg kein einziges Mal öffnen müssen/wollen.

Auf die Bitte von @rstockm höchst selbst hin, hier nun der große Vergleich.

Vorweg: Ich bin ziemlich begeistert von Ultraschall und empfehle es mittlerweile vor Hindenburg. StudioLink, Silence Removal, Soundboard, uvm. machen Ultraschall unfassbar mächtig und für (quasi) Umme absolut überlegen. Den Funktionsumfang bekommt man bei Hindy nicht mal in der 350+ € teueren Journalist Pro - Version.
Außerdem ist es super einfach zu bedienen. Der Respekt, den ich aus früheren Builds noch gruselig in Erinnerung hatte, ist völlig fehl am Platz. Auch für Laien ist Ultraschall mit einer Einführung schnell verwendbar.

Der Post wird daher hauptsächlich eine Auflistungen von Umwegen und Dingen, die mich in Ultraschall aktuell noch ein wenig bremsen und von Features die ich mir wünschen würde / die in Hindenburg gefühlt noch ein wenig intuitiver funktionieren.

Wie beschrieben bin ich mit Ultraschall noch beim Kennenlernen. Wenn bestimmte Worflows/Funktionen doch schon existieren und nur anders heißen/funktionieren freue ich mich über Hinweise.

1. "Halbierte" Wellenformen

Ich mag die Hindenburg-Entscheidung, nur die halben Wellenformen zu zeigen, sehr. Ich weiß gar nicht, ob etwas so grundlegendes in Reaper veränderbar ist, aber für gesprochenes ist die reduzierte Ansicht um Längen schneller zu verstehen und zu bedienen. Gerade "Ähms" und Atmer erkenne ich in Hindy mittlerweile fast sofort und hab einen viel besseren Überblick darüber, wo ich in einem Satz bin.

2. Clipboard(s)

Für Outtakes, etwas aufwendigere Schnitte mit Musik, etc. vermisse ich die vier Clipboards aus Hindenburg sehr. Das Prinzip, etwas aus dem Schnitt herauszuziehen und es ggf. später wieder (an anderer Stelle) einzusetzen finde ich super nützlich.

3. Verstärkung durch Cliplautstärke

Soweit ich Ultraschall bisher richtig verstehe, kann man (genau wie in Hindenburg) Fades und Lautstärkereduzierungen einfach mit ziehen an den Clipenden und der Clipoberseite vornehmen. Um ab und an Dinge auch lauter zu regeln, wäre es super praktisch, die Clipoberseite auch weiter nach oben zu ziehen, als es das +0,0 dB Maximum aktuell erlaubt.

4. Slo-Shuttle

Dass JKL als Shuttle nutzbar sind ist für mich absolut essenziell, ohne hätte ich mich als Filmstudent und -Cutter so schnell nicht an US gewöhnen können. Fast in jedem NLE kann man aber (etwa mit gedrückter Shift-Taste) das Shuttlen stark verlangsamen, um eine Art Slo-"Mo" Vorschau zu bekommen. Ich drücke ständig shift+JKL um diesen Effekt zu erzielen und ärgere mich jedes Mal, dass das nicht klappt. Für den schnellen Schnitt und um genau Worte auseinander hacken zu können, vermisse ich das sehr.

5. Verschwindende In- & Out Marker

Ich kann das Problem nicht regelmäßig nachstellen und bin einfach nur genervt davon: Warum sehe ich in Reaper oft die In- und Out Marken erst, wenn ich eine davon verändere/neu setze?? Bzw., warum sind sie nur als Paar sichtbar? Für mich würde es sehr viel mehr Sinn machen, wenn sie (einmal gesetzt) präsent sichtbar bleiben, bis ich deren Inhalt wegschneide oder sie per esc auflöse.

6. FTP-Upload als Exportschritt

Bestimmt auch eine gewagte Forderung: Den Export und direkten Upload zu verschiedenen Anbietern (und eben auch auf den eigenen FTP-Server) in einem Klick machen zu können, ist in Hindenburg das ultimative und abschließende Hochgefühl. Ich hab mich fast erschrocken, als ich nach meinem ersten US-Export plötzlich wieder FileZilla öffnen musste. Nicht nur ein fancy-feature, sondern auch ein wirklich zeitsparendes. *Falls sich das wirklich implementieren lässt: In Hindenburg vermisse ich beim Uploadschritt seit Jahren die Funktion, für die hochgeladene Datei noch einmal einen Custom Namen zu vergeben. Oft möchte man auf dem Server ja nur kurze, Slugartige Namen haben, während man auf der eigenen Platte volle Namen benutzt. Außerdem stört mich in HB, dass beim Upload kein Export auf die Platte parallel passieren kann.*

0. ((Voice Profiler))

Mit 0. nummeriert, weil ich weiß, dass nicht wirklich denkbar: Ich vermiss' den Hindy Voice Profiler. Auch wenn der längst keinen perfekten EQ zaubert, ist die automatische Berechnung für mich immer ein sehr guter Ausgangspunkt. Gerade kniffliges Gast-Smartphone-Audio öffne ich regelmäßig parallel in Hindenburg und übernehme die Tendenzen.



Jetzt hab' ich über mehrere Schnitte hinweg an diesem Post geschrieben und habe meine größten Punkte beisammen. Werde berichten, wenn mir weiteres auffällt und freue mich auf einen langen Thread und einen, für die heiligen und fleißigen Entwickler hoffentlich nützlichen, Austausch.

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Ich schicke mal gleich einen Disclaimer hinterher: ich habe den größten Respekt vor den Hindy-Macherinnen. Als einzige haben sie das Wagnis auf sich genommen, die klassische Musik-DAW die dann auch etwas Podcast kann links liegen zu lassen und mit einer sehr engen Zielgruppe - Radioleute und PodcasterInnen - zu arbeiten.

Und ich finde sie haben viele gute Ideen, und ein klitzekleines bisschen fühle mich in der Tat schlecht, wenn wir was davon 1:1 kopieren.

Weniger Respekt habe ich vor deren Preispolitik - namentlich die Entscheidung, die günstigen Pakete gerade so zu kastrieren, dass sie zum Ausprobieren taugen aber dann für regelmäßige Aufnahmen knapp zu wenig bieten.

Und seit Jahren bin ich ratlos, was die Leute gerade am Schnitt mit Hindenburg so sehr lieben, und was sie an Ultraschall dann abschreckt.

Daher habe ich zu danken, dass wir das hier hoffentlich mal im Detail runtergebrochen bekommen.

Räumen wir dann doch gleich mal etwas ab:

Bitte sehr:

Was das noch nicht löst, ist der sehr clevere Umgang von Hindy in Bezug auf die automatischen Spurhöhen. Die muss man sich in Ultraschall noch manuell zusammenschieben, aber auch da haben wir Ideen.

Einfach dazu die Shift Taste drücken, während man an der Oberkante zieht… das geht auch mehrmals hintereinander:

shift

Das, das ist gut gebaut und hier ist es schwierig da 1:1 zu kopieren (was wir dennoch planen für die 5.0). Was man sich aber anschauen kann und in eine ähnlche Richtung geht: der Storyboard-Modus mit Clip-Datenbank, Verschlagwortung, Suche, wiederverwendbaren Sets etc.:

Das reiche im mal weiter - vielleicht geht da was zur 4.1 :sunglasses:

Okay, schauen wir mal drauf. Grundsätzlich ist dieses Handling aber auf einer Ebene von REAPER, an die wir schlecht bis gar nicht moddend rankommen.

Da haben wir was in der Planung, wird aber noch dauern.

Zur 5.0 haben wir hier Ideen wie man das umsetzen könnte.

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<3
Danke für die schnelle und ausführliche Antwort.

Stimme beim Thema Hindenburg-Preispolitik bedingungslos zu. Gefühlt kauft man mit Journalist eine sehr teure, erweiterte Demo-Version, die willkürlich nützliche Features, die in der Pro dabei sind, verwehrt. Fand ich auch immer frustrierend, weil ich natürlich keine 300€ für eine reine Podcastingsoftware ausgeben kann/will.

Bin mit den Einzelantworten völlig begeistert; der Post hat meinen Workflow jetzt schon viel vertrauter und flinker gemacht. Gerade die rectified peaks machen mich total glücklich, haha.
Storyboard-Mode schaue ich mir mal an. Sieht ein bisschen überdimensioniert aus für meine Zwecke; aber so kam mir in Ultraschall ja schon einiges vor, bis ich’s zu schätzen gelernt hab.

Spontane Idee noch; wäre es nicht sinnvoll beim “Prepare for Editing” auch gleichzeitig die -23 LUFS Normalisierung einzubauen? Dann hätte man Hindenburgs Auto Levels quasi auch schon in der Tasche. Und für Dynamics muss man dann nicht mehr einzeln dran denken.

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Spannende Diskussion. Ich hab’ da auch noch ein paar Gedanken, weil ich wie @Feivel schon einige Zeit auf beiden arbeite - und immer “weiß”, wenn ich lieber die eine, oder die andere nehme.

  1. Es gibt in Hindenburg keine Metaebene - keine Shift-Klick, Control-Klick-Ebenen. Was es gibt sieht man. Einige wenige Tastaturshorhtcuts haben auf der linken Hand Platz, mit der rechten wird am Trackpad geschoben und gezogen. Das führt zu einer sehr klar definierten Denkweise: ein gebauter Radiobeitrag auf so wenig wie möglich Spuren. Exportieren als WAV - eventuell den Ausschnitt, sonst das Ganze. Reicht.
  2. Es gibt in Hindenburg keine Kapitelmarken, die man exportieren könnte. Kein Einzel-Export für Spuren. Dazu braucht es Ultraschall, das zu einer sehr klar definierten Denkweise führt: die Zutaten für einen Podcast, die Auphonic bekommt. Eventuell: Live und Studio-Link. Podcast!
  3. In Hindenburg schneide ich bis auf begründete Ausnahmen (gegen Ende der Arbeit hin) immer nur in der einzelnen Spur. Das ist Radioarbeit. In Ultraschall klicke ich fröhlich zwischen Ripple Edit und so weiter hin und her. Bei Radio denke ich nicht an das Auftrennen von Spuren, bei Ultraschall schon - insbesondere erlaubt das Studiolink das Entkoppeln der Zeitstränge. Wenn ich meinem Interview dreingeredet habe geht das bei Ultraschall wieder weg. Bei Hindenburg - Radio - denkt man nicht im „Dreinreden-Auflösen-durch-Schneiden“, man hält bei der Aufnahme schon die Klappe, oder lernt das.
  4. Hindenburg ist extrem aufgeräumt. Es ist angetreten - so sagen die Entwickler - „um ProTools aus dem Radiobereich zurückzudrängen“. Ultraschall hat an allen Ecken und Enden Möglichkeiten. Das erlaubt bei guter Kenntnis mehr Formatentwicklung / Podcast. Die Hindenburg-Pro-Version hätte ich mir sparen können, brauche ich alles nicht. Minimum reicht völlig.
  5. Das ist auch mein Fazit: Ich würde Hindenburg und Ultraschall nicht weiter angleichen, sondern eher trennen. Wäre es dasselbe, wäre es schon ein Produkt. Ein geschärftes Konzentrieren auf Radio und Podcastaufgabe könnte beide DAW’s vielleicht eher verbessern, als das Vermischen. Was natürlich bedeutet, dass Radio und Podcastarbeit zwei getrennte Dinge bleiben.
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Ich bekomme die Argumentation in Punkt 3 nicht auf die Reihe. Schneidest du in Hindenburg weitgehend nur in einer Spur, weil du dir in Hindi nur einen bestimmten Workflow auferlegst? Weil du in einer Spur Frage und Antwort zugleich aufnimmst (Radio), also das Material es gar nicht anders zulässt? Spuren einzeln schneiden und gegeneinander verschieben (z.B. unnötige Bemerkungen rausnehmen) geht ja in Hindenburg auch.

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Ich nehme fürs Radio mit einem Mikrofon das Interview auf. Der Track liegt auf einer Spur, dort schneide ich. Allenfalls zweite Spur ein Geräusch dazu, etc. / Abgegrenzt davon die Mehrspuraufnahme Podcast-Style. Jede:r Gesprächspartner:in auf einer eigenen Spur.

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Also dein persönlicher workflow …

Ich möchte hier gar nicht zu tief einsteigen. Aber wenn ich diesen Satz wörtlich nehme, denke ich, dass er nicht stimmt. Kapitelmarken können mit Hindenburg in die Zwischenablage oder auch in eine Textdatei geschrieben werden. Das geht über das Kontextmenü im Bereich zwischen Bildvorschau und Kapitelmarkenliste.

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Hierzu doch nochmal eine Anmerkung. Dass sich Items so verstärken lassen ist schon prima, aber mir fehlt nach weiteren Schnittstunden doch oft das Hoch- und Herunterziehen innerhalb von In und Out.

So in Hindenburg:
LeiserHindy

Und leider nur so in Ultraschall:
Leiser

Klar; Workaround ist der Volume Envelope.
Envelope

Sind aber immer einige Klicks mehr. Gibt es eine Möglichkeit, den Volume Envelope dauerhaft auf der normalen Peak-Ansicht zu haben? Sodass die Oberkante des Items quasi den Volume-Envelope anspricht, statt die Itemlautstärke?

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Hm.
Hmhm.
Ja, das mach Hindenburg sehr intuitiv und fein. Wir haben da ein paar Ansätze, aber vielleicht muss ich da nochmal etwas tiefer drüber nachgrübeln.
Man kann den Volume-Envelope in die Spur selbst legen, das führt aber m.E. eher zu Verwirrung als zu Klarheit:

(rechte Maustaste links in einem Track)

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nicht wahr?

Hahaha oh, ja, das sieht nicht brauchbar aus. Aber danke für’s Gehör.

Darf ich Dein erstes Gif weiterverwenden für nen Feature-Request an die Reaper-Macher?

ja klar, sehr gerne!

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Würde auch ein bisschen was von dem aufgreifen, was ich im Abmischen mit Envelopes-Thread beschrieben hatte. Danke für das aufschlussreiche Gif!

Weiterer Nachschub: Ist es denkbar, die Empfindlichkeit für das In- Out setzen per Maus zu verändern? Ich habe leider regelmäßig das Ärgernis, dass ich einen Outpunkt setze, bei dem ich den Schnitt „enden“ lassen möchte, und dann beim Vorspringen in der Timeline mit der Maus nicht EXAKT nur einen Pixel anklicke, wodurch gleich wieder eine neue In- Out Auswahl gezogen wird. Klar, Timeselection ausschalten. Aber würde behaupten, dass man fast immer deutlicher mit der Maus zieht, wenn man wirklich einen Bereich auswählt.

Licecap streikt leider gerade

Ok, ich fürchte hier brauche ich doch ein Video :slight_smile:

…Wenn jemand zuguckt kann ich nicht. Beim absichtlichen Nachstellen ist’s leider nicht so richtig passiert: Im Video klappt’s erst so wie’s soll, danach wackle ich dann ein bisschen übertrieben mit der Maus, während ich den Cursor dahin setze, wo der In Point hinkommen soll. Passiert beim schnellen schneiden aber regelmäßig, versprochen!

inoutlost

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Ich habe einen ersten Ansatz - braucht aber noch Feintuning:

hindenburg

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cool! cool! cool! 8 Zeichen!

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Spar mal noch ein paar Zeichen, und einmal Anschnallen bitte:

hindenburg2

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