Im Radiobereich gibt es ja die magischen “einsdreißig” (1’ 30") an Beiträgen im laufenden Programm - zumindest die Unterhaltungswellen betreffend.
Irgendjemand hat mal das Mythos aus dem Hut gezaubert, dass alles längere den Hörer überfordert (was ein erschreckendes Abbild unserer Gesellschaft ist, dieser Seitenhieb sei mir gestattet).
Leider hatte das auch Rückwirkung auf die Nachrichten - statt Informationen gibt es zunehmend Informationshäppchen.
Nun gut, man könnte ja jetzt argumentieren, dass der klassische Podcasthörer eher auf den Kultur- oder Infowellen zu finden ist, wo auch der Wortanteil höher ist.
Aber geht es hier wirklich um die Bereitschaft zur Rezeption “mehr oder weniger Wort”?
Ich vergleiche Audiobeiträge - egal, ob live oder produziert im / fürs Radio, Podcast oder “nur” Interview - gerne mit Zeitungsartikeln. Diese lese ich auch mal unterwegs, angetriggert durch einen Link bei Twitter.
Gerade hier habe ich begrenzte Ressourcen: Zeit, Bildschirm, Handling.
Überraschenderweise schaffen es lange Artikel oder Interviews eher, mich zu binden als kurze, oberflächliche, boulevardeske. Trotz knapper / beengter Ressourcen ist die Bereitschaft vorhanden, sich auf ein Thema einzulassen. Einzige Voraussetzung: Es muss mich bei der Stange halten.
Was macht einen guten Artikel aus?
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Überschrift:
Mache mich neugierig, lenke meine Aufmerksamkeit auf den Artikel: “Hey, was ist DAS denn?”
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Einleitungstext:
Worum geht es hier? Ach ja, das könnte was sein. Bist Du ein Artikel, eine Reportage, ein Interview, eine Kolumne oder ein Kommentar?
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Der eigentliche Text:
Halte mich bei der Stange, werde nicht langweilig. Verfolge ein klares Ziel, überrasche mich auf der Reise. Setze Akzente und entlasse mich mit einem Sahnehäubchen, dass ich dankbar und glücklich bin, dich gelesen zu haben.
Übertrieben?
Als ich mit den ersten von euch hier vorgestellten / beworbenen Podcasts in Berührung kam (auch: Hörbeispiele), war ich erst mal abgeschreckt.
Inhaltsverzeichnis: Och nö, langweilig.
Sprungmarken: Aha, und worin besteht da jetzt der neue Abschnitt?
Länge: Ja seid ihr denn wahnsinnig?
Und, vor allem: Qualität: Nee, dazu habe ich keine Lust.
Letztlich zeigt sich aber: Wenn jemand einen richtig geilen (und angenehm zu hörenden) Podcast baut, kann die Zeit wie im Fluge vergehen (ein Phänomen, das ich von sensationell guten Radiosendungen kenne).
Ist es hingegen langweilig (Spreche, Qualität), schalte ich trotz des Themas ab.
Tja, und die Länge: Kann trotz allem ein Kriterium für die Vorauswahl sein. Es ist dann die Kombination aus Thema, Neugier, Format und Länge. Die Entscheidung zum Hören fällt spontan.
Beim Podcast kommt, aus meiner Sicht, eine weitere Schwierigkeit hinzu: Auch wenn ich nicht interaktiv eingreifen kann, möchte ich als Hörer doch einbezogen werden. Fühle ich hingegen, dass sich da zwei (drei) Freunde in einem geschlossenen Bereich unterhalten, denen es egal ist, ob ich zuhöre oder nicht, dann ist schwer was zu retten. Füttern sie mich hingegen an und wecken meine Neugierde, dann besteht die “Gefahr”, dass ich stundenlang zuhören möchte.
Wenn ich Radio höre, dann gerne die Infowellen - und da wiederum die Sendungen am Wochenende. Die gibt es auch als Podcast, und die machen auch richtig Spaß.
Das könnte - muss aber nicht - ein Vorbild sein.