Länge von Audioformaten

Hallo zusammen

Ich gerate gelegentlich mit Menschen, die radioaffiner (und weniger podcastaffin) sind als ich in Diskussionen, in welchen es darum geht, wie lange ein Audioformat sein darf / soll / muss. Mein Antwort ist dann, dass je nach Thema und Format verschiedene Längen funktionieren - vom “Täglichen Wort” (5 Sekunden) bis zu “Proton” (6 Stunden), und dass für eine Diskussion über ein Fachthema 45 Minuten durchaus gehört werden, wenn nicht sogar gerne. Stirnrunzeln, Skepsis, “kann ich mir nicht vorstellen”, “das ist eine Binnen-Sicht für Hardcore-Fans wie du”.

Wie seht ihr das?
Gibt es Daten / Untersuchungen zum Hörverhalten bezüglich Länge?

Gruss Timm

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Meine reguläre Antwort darauf ist, dass es auch im Hörfunk unterschiedliche Formate mit unterschiedlichen Längen gibt. Sogar international, denk nur an das Talkradio in den USA, unterscheiden sich die Formatlängen enorm.
Wenn man sich tatsächlich darüber unterhalten muss, wie lang ein Hörstück sein sollte, ohne eine inhaltliche, oder kreative Grundlage dafür zu haben, der tut mir leid.
Ein Gespräch sollte so lange dauern, wie es dauert. Es kann kurze und lange Feature geben etc etc etc.
Danach frage ich dann immer, warum ein Reporterbeitrag im Radio 3 Minuten haben “muss”. In der Regel gibt es keine befriedigende Antwort außer: Es muss in die Sendeuhr passen. Und diese Beschränkung gibt es im Podcast nun mal nicht.
Jeder der mit dem Argument kommt, dass der Zuhörer nicht so lange zuhört, dem entgegne ich, dass er die Zuhörer unterschätzt.

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Meine Antwort wäre auf Hörbücher zu verweisen…
Die meisten runzeln ja nur die Stirn weil sie mit Radio vergleichen. Vergleichst Du mit dem Buch und weist darauf hin, dass man auch in Kapiteln und Etappen sinnvoll konsumieren kann ist alles in Butter.

//D

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Ich würde auch sagen, hier vergisst man Hörbücher und Hörspiele, aber ich wäre da noch konfrontativer: Mutmaßlich halten deine Gesprächspartner es für normal einen Film von anderthalb Stunden Länge anzusehen, kann es da wirklich sein, dass sie es als dem normalen Konsumenten unzumutbar einschätzen, ein Stück von vergleichbarer Länge, etwa eine Vortragsaufzeichnung, anzuhören?

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Wer nicht nachvollziehen kann, dass man sich problemlos mehrstündige Podcasts anhören kann, schaut wohl nicht fern, geht nicht ins Kino, Theater, Oper oder ähnliches. Sonst dürfte ein Verweis darauf reichen. Immerhin wird kaum jemand gezwungen, sich längere Veranstaltungen anzusehen, und Podcasts kann man ja auch noch mobil hören, während man irgend etwas anderes macht (mir fallen spontan Bahnfahrten, Bügeln, Einkäufe ein, die wohl jeder nachvollziehen können sollten)

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Ach Leute. Ich kenne die Reaktion aber auch und wir wissen doch auch, das viele Neulinge von 3h Sendungen erst mal abgeschreckt sind. Ihr tut grad so als wäre das völlig ungewöhnlich :wink:

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Ich finde eine Haltung wie “das ist eine Binnen-Sicht für Hardcore-Fans wie du” ungewöhnlich und würde dahinter unüberlegte Ablehnung vermuten.

Die Haltung kommt halt meist als “also für mich wär das nichts” daher.

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Die Haltung ist schon überlegt - einfach beeinflusst durch viele Jahre Radioproduktionserfahrung.

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Also sprechen wir hier von Personen, die an der Produktion von Radiosendungen beteiligt sind und längere Formate im Kontext von Radio als ungeeignet für das typische Publikum halten? Das wäre eine ganz andere Diskussionsbasis.

Entschuldige, dann habe ich den Kontext ungenau gesetzt. Es ging in der heutigen Diskussion um den Einsatz von Audio als Informationsmedium und die sinnvolle Länge eines Beitrags. Mein Punkt war, dass der Einsatz stark davon abhängt, was der/die Hörer|in erwartet und wie gross die Motivation und Bereitschaft ist, sich mit einem Thema auseinander zu setzen - und dass auch “lange” Formate (sprich: 30-45m) durchaus Interessenten finden. Mein Diskussionspartner bezweifelte stark, dass dieser Anteil bedeutend sei und sich der Einsatz somit nicht lohnen würde.

Die Diskussion um Länge habe ich jedoch ab und zu auch mit Konsumierenden (meist den weniger audioaffinen).

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Hm, dann scheint mir das aber gar keine Diskussion über Länge zu sein, sondern über die Meinung, die man von seinen Mitmenschen hat. :wink:

Dein Diskussionspartner hat meines Erachtens zwar unrecht, wenn er glaubt, die meisten Menschen würden sich nicht in der Tiefe für Themen interessieren. Aber ich will zugestehen, dass sich vermutlich nur wenige für die gleichen Themen interessieren. Das ist für Podcasts kein Problem, weil die jeweils passenden Inhalte parallel konsumiert werden können. Wenn man dagegen vom Radio her denkt, also einen Kanal hat, könnte man nur nacheinander einen kleinen Hörerkreis bedienen, während der Großteil vielleicht weghört. Länge ist dann einfach nur ein Maß dafür, wie oberflächlich das Thema behandelt wird.

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Im Radiobereich gibt es ja die magischen “einsdreißig” (1’ 30") an Beiträgen im laufenden Programm - zumindest die Unterhaltungswellen betreffend.
Irgendjemand hat mal das Mythos aus dem Hut gezaubert, dass alles längere den Hörer überfordert (was ein erschreckendes Abbild unserer Gesellschaft ist, dieser Seitenhieb sei mir gestattet).
Leider hatte das auch Rückwirkung auf die Nachrichten - statt Informationen gibt es zunehmend Informationshäppchen.

Nun gut, man könnte ja jetzt argumentieren, dass der klassische Podcasthörer eher auf den Kultur- oder Infowellen zu finden ist, wo auch der Wortanteil höher ist.
Aber geht es hier wirklich um die Bereitschaft zur Rezeption “mehr oder weniger Wort”?

Ich vergleiche Audiobeiträge - egal, ob live oder produziert im / fürs Radio, Podcast oder “nur” Interview - gerne mit Zeitungsartikeln. Diese lese ich auch mal unterwegs, angetriggert durch einen Link bei Twitter.
Gerade hier habe ich begrenzte Ressourcen: Zeit, Bildschirm, Handling.

Überraschenderweise schaffen es lange Artikel oder Interviews eher, mich zu binden als kurze, oberflächliche, boulevardeske. Trotz knapper / beengter Ressourcen ist die Bereitschaft vorhanden, sich auf ein Thema einzulassen. Einzige Voraussetzung: Es muss mich bei der Stange halten.

Was macht einen guten Artikel aus?

  • Überschrift:
    Mache mich neugierig, lenke meine Aufmerksamkeit auf den Artikel: “Hey, was ist DAS denn?”

  • Einleitungstext:
    Worum geht es hier? Ach ja, das könnte was sein. Bist Du ein Artikel, eine Reportage, ein Interview, eine Kolumne oder ein Kommentar?

  • Der eigentliche Text:
    Halte mich bei der Stange, werde nicht langweilig. Verfolge ein klares Ziel, überrasche mich auf der Reise. Setze Akzente und entlasse mich mit einem Sahnehäubchen, dass ich dankbar und glücklich bin, dich gelesen zu haben.

Übertrieben?

Als ich mit den ersten von euch hier vorgestellten / beworbenen Podcasts in Berührung kam (auch: Hörbeispiele), war ich erst mal abgeschreckt.
Inhaltsverzeichnis: Och nö, langweilig.
Sprungmarken: Aha, und worin besteht da jetzt der neue Abschnitt?
Länge: Ja seid ihr denn wahnsinnig?
Und, vor allem: Qualität: Nee, dazu habe ich keine Lust.

Letztlich zeigt sich aber: Wenn jemand einen richtig geilen (und angenehm zu hörenden) Podcast baut, kann die Zeit wie im Fluge vergehen (ein Phänomen, das ich von sensationell guten Radiosendungen kenne).
Ist es hingegen langweilig (Spreche, Qualität), schalte ich trotz des Themas ab.

Tja, und die Länge: Kann trotz allem ein Kriterium für die Vorauswahl sein. Es ist dann die Kombination aus Thema, Neugier, Format und Länge. Die Entscheidung zum Hören fällt spontan.

Beim Podcast kommt, aus meiner Sicht, eine weitere Schwierigkeit hinzu: Auch wenn ich nicht interaktiv eingreifen kann, möchte ich als Hörer doch einbezogen werden. Fühle ich hingegen, dass sich da zwei (drei) Freunde in einem geschlossenen Bereich unterhalten, denen es egal ist, ob ich zuhöre oder nicht, dann ist schwer was zu retten. Füttern sie mich hingegen an und wecken meine Neugierde, dann besteht die “Gefahr”, dass ich stundenlang zuhören möchte.

Wenn ich Radio höre, dann gerne die Infowellen - und da wiederum die Sendungen am Wochenende. Die gibt es auch als Podcast, und die machen auch richtig Spaß.
Das könnte - muss aber nicht - ein Vorbild sein.

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Grossartige Einsichten, danke!

Bei mir fliegen Formate eher regelmäßig aus der Liste, wenn sie mir zu kurz sind. Unter 30 min höre ich gar nichts mehr.

Gerade weil es Podcast und nicht Radio ist, möchte ich ausschweifende Sendungen statt knapper Informationen.

Radio höre ich nur sehr selten und wenn dann sind es DLF oder andere Infosender.

Wenn ich von mir selbst ausgehe, höre ich Podcasts von fünf Minuten bis mehrere Stunden. Die meisten bei mir in der Liste liegen über einer Stunde Länge. Ich mag das sehr und stimme zudem meinen Vorschreibern zu, bei Hörbüchern hinterfragt auch niemand die Länge, wenn da bei einer Biografie 25h in der Beschreibung steht, dann ist das eben so. Jedenfalls ist deine Frage echt interessant, weil sie doch auch zeigt, dass schon allein das Wort Podcast zu einer anderen Denke führt.

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Ich finde, das ist ein total wichtiges und augenöffnendes Argument. Du solltest deinen Anwendungsfall (den ich nicht 100%ig begriffen habe) darauf abklopfen.
Also nimmt die Sendung irgendwem oder irgendwas den Platz weg (z.B in einem linearen Stream)?
Entscheiden die Hörer selbst wie, wann und ob überhaupt sie die Sendung hören?

Ich liebe Podcasts die lang sind und thematisch getragen werden, also mir Informationen oder neue Eindrücke liefern.
Nicht verzichten möchte ich auf den Player der sich die Position merkt, sodass Unterbrechungen problemlos möglich sind.

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Hörgewohnheiten. Viele sind halt ihr Leben lang mit einsdreißig erzogen worden. Kleine Happen sind voll in der Erwartungshaltung von gefühlt 90% der heutigen Medienkonsumenten.

Aktuelles Beispiel von überm Teich: Syfy Origin Stories mit Adam Savage. An sich ganz schöne Interviews mit bekannten Menschen aus dem Scifi-Umfeld. Leider offenbar von jemandem beauftragt, der es wichtig findet, die Dinge möglichst tight zu editieren. Beim Hören kam mir dann auch regelmäßig der Wunsch auf eine ungeschnittene Version der Gespräche mit allem drum und dran. Warts and all.

Hängt am Ende beim Publikum vermutlich tatsächlich an den Hörgewohnheiten, bzw. bei den Machern an der Angst, ein vermeintliches Risiko einzugehen.

Völlig uninteressante Information am Rande: Der Median aller Folgen in der Datenbank, deren Dauer zwischen 20s und 7h liegt, beträgt 44m20s :slight_smile:

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