Disclaimer: Hier soll nicht diskutiert werden, ob geschlechtergerechte Sprache sinnvoll oder Teil der kommunistischen Weltverschwörung ist. Grundsätzliches dazu findet sich z.B. bei Wikipedia, im Sprachlog, etwas oberflächlich auch bei Kleinerdrei und natürlich an einer ganzen Reihe anderer Stellen, die mit einer Suche schnell gefunden sind. Es versteht sich von selbst, dass es mir nicht darum geht irgendwem ein schlechtes Gewissen einzureden, zu bevormunden oder etwas vorzuschreiben. Dieser Thread soll Anreize und Informationen bieten.
Bottom Line: Das generische Maskulinum beeinträchtigt die Identifizierung der Hälfte deiner potentiellen Hörerschaft mit deiner Bezeichnung für sie und damit die Bindung an deinen Podcast.
Hier soll es um Möglichkeiten der geschlechtergerechten Sprache in Podcasts gehen. Podcasts haben besondere Anforderungen an Sprache. Aus der Schriftsprache bekannte Varianten wie das Binnen-I (z.B. PodcasterInnen, vgl. auch: iPhone) schwächeln in der gesprochenen Sprache. Es gibt natürlich trotzdem eine Fülle von Möglichkeiten Sprache vom Geschlecht zu entgraten.
Hinweis: Wird über eine konkrete Person mit konkretem Geschlecht gesprochen, sollte natürlich nicht gegendert werden. Im Zweifel sollte die Person mit dem Genus bezeichnet werden, das sie sich selbst zuordnet. Die hier aufgelisteten Bezeichnungen werden bei Pluralformen und allgemeinen Bezeichnungen verwendet.
Substantive
Niemand gendert “Salzstreuer”. The joke’s on you.
1. Doppelnennung
“Podcasterinnen und Podcaster” – Funktioniert fast immer, ist universell einsetzbar, wird aber manchmal als sperrig empfunden und bleibt beim binären Geschlechtersystem (im Gegensatz zu den sozialen und biologischen Realitäten).
2. Trennung statt Unterstrich
“Podcaster-innen” – Dort, wo in der Schriftsprache der Unterstrich (s. Gendergap) sitzt, kann ein Wort in der Aussprache getrennt werden. Das funktioniert in der Praxis oft nicht besonders gut, wird im Eifer des Gefechts oft weggenuschelt und noch öfter überhört. Die Linguistik hinter dieser Aussprachevariante hat Anatol Stefanowitsch im Bremer Sprachlog beschrieben.
3. Partizipialformen
“Podcastende” – Funktioniert fast immer und bezieht sich grammatikalisch stärker auf die Tätigkeit, als auf Personen. Diese Variante wird häufig als Beamtensprech empfunden, funktioniert aber z.B. bei Puerto Patida auch ganz hervorragend als Stilmittel. An Begriffe wie “Mitwirkende” oder “Studierende” (belegbar ab 1815) dürften alle gewöhnt sein.
4. Randomisierung
“[…] Podcaster […] Podcasterinnen […]” – Das Geschlecht der Bezeichnungen wird möglichst unregelmäßig durchgewechselt. Diese Variante erfordert viel Aufmerksamkeit und ist damit neben 2. wahrscheinlich die anstrengendste. Auch hier wird das binäre Geschlechtersystem beibehalten. Kann in Schrift z.B. auf der Website sehr gut funktionieren und habe ich so bei der Geschichtenkapsel versucht.
5. alternative Begriffe
“Hörerschaft” vs. “Zuhörer”, “Fachkräfte” vs. “Experten”, “wer im Internet unterwegs ist” vs. “Internetnutzer” – An dieser Stelle sind der Fantasie nur wenige Grenzen gesetzt. Auch das Genderwörterbuch “Geschickt Gendern” kommt hilfreich herbeigeeilt. Es gibt wenige Begriffe, für die sich kein geschlechtsneutraler Ersatz findet. Manchmal muss man etwas suchen und manchmal klingt es etwas seltsam. Hier sind Selbstdenken und Abwägen gefragt.
6. Satzkonstruktionen im Passiv
“Die Hörer hören uns auf der Website.” vs. “Wir werden auf der Website gehört.” – Erfordert oft etwas nachdenken, aber diese Art des Satzbaus lässt sich antrainieren. Auch diese Variante hat manchmal etwas von Beamtensprech, ist dafür aber ansonsten ziemlich unsichtbar.
7. Substantive durch Verben ersetzen
“Die Podcaster sind Holger Klein und Katrin Rönicke.” vs. “Holger Klein und Katrin Rönicke podcasten.” – Ziemlich unsichtbar und nicht von ungegenderter Sprache zu unterscheiden, ist also wohlmöglich einfach Sprache.
Pronomen
Auch du hast welche.
(“ich”, “du”, “er”, “sie”, “es”, “wir”, “ihr” und “sie” können wir hier von vornherein ignorieren. Die werden so benutzt wie immer. Die größten Baustellen sind Indefinitpronomina und Generalpronomina.)
1. direkte Ansprache
“Wenn man eine Rezension schreibt, bekommt man Aufkleber!” vs. “Wenn du eine Rezension schreibst, bekommst du Aufkleber!” – Immer, wenn du deine Hörerschaft direkt ansprichst, kannst du weitestgehend auf das grammatikalische Geschlecht verzichten. Ein weiterer Vorteil dieser Variante ist, dass Hörende direkt einbezogen werden und sich eher gemeint fühlen, als bei der Verwendung von Pluralformen (“ihr”) oder weniger direkten Pronomina (“man”). “Du” ist direkt und geschlechtsneutral.
2. ersetze "jeder" und "jede" durch "alle"
“Jeder will ein Stück vom Kuchen!” vs. “Alle wollen ein Stück vom Kuchen!” – “jeder” ist männlich, “jede” ist weiblich, “alle” ist alles. Die Begriffe sind synonym und geläufig. Diese Änderung sollte niemandem negativ aufstoßen. Kaum wer wird sie bewusst wahrnehmen.
3. ersetze "keiner" und "keine" durch "niemand"
“Keiner hat Bock auf dein Gelaber!” vs. “Niemand hat Bock auf dein Gelaber!” – “Niemand” ist nicht perfekt. Die historische Verbindung zu “man” steckt da augenfällig drin, aber es ist schon besser als “keiner”. Alternativ lassen sich auch Redewendungen wie “kein Schwein” oder “keine Seele” verwenden.
4. ersetze "man" durch "frau"
“Man weiß nicht so genau.” vs. “Frau weiß nicht so genau.” – Wird hauptsächlich von Frauen gesprochen, während “man” verwendet wird (z.B. “Im Vergleich zu Männern verdient man als Frau im Durchschnitt weniger.”), kann es sinnvoll sein “man” durch “frau” zu tauschen (z.B. “Im Vergleich zu Männern verdient frau/Frau im Durchschnitt weniger.”). Je nach Satz spart man damit sogar ein paar Wörter ein. Wendet man diese Variante auf die Allgemeinheit an, stößt man der inneren Logik der Bezeichnung folgend natürlich auf die gleichen Probleme, wie mit “man”.
5. ersetze "man" durch "mensch"
“Das möchte man nicht haben.” vs. “Das möchte mensch nicht haben.” – Dies ist leicht gewöhnungsbedürftig und noch recht unüblich, lässt sich aber regelhaft ein- und fortsetzen. Begriffe wie “jemensch” (als Ersatz für “jemand”) schließen sich an. Wer glaubt ein Publikum zu haben, das verspielte Sprache mitmacht, kann das testen.
6. ersetze "man" durch "ich" oder was du wirklich meinst
“Man sollte sich schämen!” vs. “Ich sollte mich schämen!” – Sehr häufig sagt man “man” während man eigentlich etwas anderes meint. Ich meinte im vorherigen Satz z.B. “ich”. Die Vermeidung von “man” kann die Sprache also nicht nur inklusiver machen, sondern auch präziser.
7. formuliere kreativ
“Das möchte man nicht.” vs. “Wer möchte das schon?” – Nichts geht über eigene Umformulierungen und eigene Neuschöpfungen. Selbst wenn sich im eigenen Podcast eine neutrale Form eher als Witz etabliert (ohne sich explizit und abfällig darüber lustig zu machen), ist schon etwas gewonnen.
Substantive und Pronomen
Das Rundum-sorglos-Paket.
1. generisches Femininum
“Das geht raus an alle Podcasterinnen da draußen: Manchmal hat frau eben Glück!” – Als Ausgleich für Jahrtausende patriarchaler Sprachdiktatur wird immer die weibliche Form verwendet. Kann frau machen.
2. Weg mit dem Alten, her mit dem Neuen!
“Xier packt xiesen Koffer.” – Es gibt verschiedene sprachreformatorische Ansätze, mithilfe derer versucht wird, sich von Altlasten zu trennen. Darunter der von Anna Heger, bei dem Formen mit X gebildet werden. Auch das aus den Medien bekannte X am Ende, wie in Professx ist so ein Ansatz. Mein eigener findet sich hier in diesem Thema.
Fazit: Wer ein bisschen denkt und spielt, gendert bald ganz ungeniert!
Diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und ist vor allem eine Zusammenfassung aus dem, was sich bei mir über die Jahre zu dem Thema gesammelt hat. Ich freue mich über Ergänzungen und Kritik.