Wenn das Interview nix wird... wie geht ihr damit um?

Manchmal macht man ein Interview und „live“ fühlt es sich irgendwie auch alles cool an, aber dann hört man sich das Gespräch im Nachgang an und denkt: „Das war wohl nix.“ Manchmal kommt der Gast inhaltlich nie zu nem spannenden Punkt, verliert sich in konfusen Satzstrukturen oder hat einfach nix zu sagen.

Wie geht ihr damit um? Veröffentlicht ihr das trotzdem, um die investierte Zeit der Person zu ehren, oder packt ihr die Folge in den „Giftschrank“?

Gerade bei Hobbyprojekten kann man schlecht die Verantwortung der Entscheidung auf anonyme Redaktionen oder Chefs abwälzen, sondern muss jemandem quasi ins Gesicht sagen: „Sorry, das war nix, das möchte ich nicht veröffentlichen.“

Ich weiß, dass es da auch viel Nuancen und „Kommt drauf an“ gibt, mich würden ein paar Erfahrungsberichte interessieren, wie ihr früher mit so einer Situation umgegangen seid.

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Seit 2016 habe ich für meine Podcasts und live auf Bühnen unzählige Interviews geführt. Wenn diese als Podcast erscheinen sollen, dann schneide ich die immer nach.

Im Schnitt kann ich schlechte Interviews oft retten. Aber nicht immer. Notfalls muss man einen zweiten Termin vereinbaren.

Menschen, die nur eine geringe Eloquenz haben, sind tatsächlich schlecht für ein solches Gespräch geeignet. Als Moderator ist es jedoch meine Aufgabe, schon während des Gesprächs einen Blick „von oben“ auf die Situation zu haben. Wenn ich merke, dass die Person verkrampft oder unkonzentriert ist, dann versuche ich im laufenden Gespräch die Stimmung zu lockern. Wenn es eine Aufzeichnung ohne Publikum ist, dann kann man auch mal eine Pause anbieten.

Insgesamt muss ich aber sagen, dass ich kaum solche Gespräche hatte. Meist wollen meine Gäste ja dabei sein und haben was zu sagen. Einmal hatte mein Gast mit Wortfindungsstörungen zu kämpfen, welche ich im Schnitt relativieren konnte.

Gruß
Andi

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Schliesse mich da @Ahappyfreak an. Es gab noch keine Folge, die ich nicht veröffentlicht hätte. Den Ton kann man ein Stück weit „tunen“ mit UltraSchall oder Hindenburg und die Verzögerungslaute (auch Füll-Laut, Verlegenheitslaut, Pausenlaut) schneide ich raus. Und wenn der Gast so gar nicht in Wallung kommen will, dann versuche ich, die Leute aus der Reserve zu locken oder mache einfach nen Break, spreche über das aktuelle Problem und mache dann weiter. Kann man ja alles nachher rauswerfen. Das ist aber auch der Grund, warum ich solche Sessions niemals live mache :wink:

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Daran anknüpfend: Passt sicher nicht in jedes Podcast-Format, aber wenn interessante Infos schlecht formuliert und hier und da auch gute Aussagen dabei sind könnte man daraus ein Feature statt einem straight up Interview machen. Dann übernimmt man als Host mehr Arbeit, spricht hier und da selber Moderationsbrücken ein, schiebt im Edit noch mehr hin und her.

Und, was ich ab und zu auch schon erlebt habe: Ich hatte das Gefühl ein Interview war superschlecht, aber andere fanden es dann total interessant. Also schadet’s sicher auch nicht, eine zweite Meinung einzuholen, wenn man mit dem Publishen so unsicher ist.

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Ich habe letztes Jahr im Sommer mal eine Folge aufgenommen.

Das war recht spontan und so wurde das normalerweise ausführliche Vorgespräch eben gekürzt. - Die Gelegenheit war da.

Total cooles Setting! Berlin,Samstag Nacht, Museumsinsel und meine größte Sorge war der Ton. Es war eine warme Sommernacht, viele Menschen unterwegs, geniale Atmo.
Während des Gesprächs merkte ich aber, wie mein Gast immer und immer wieder in eine toxische Richtung driftete und es gelant mir nicht, ihn davon wegzubringen und das Gespräch einzufangen. Jeder Versuch, diesen einen toxischen Punkt nicht immer wieder zu wiederholen misslang. Auch eine halbe Stunde Aufnahmepause brachte da nichts. - Da waren wohl zu frische zu tiefe Wunden. - Im Grunde war das die Botschaft, die mein Gast loswerden wollte und viel mehr Substanz war da leider nicht.

Das Gefühl „das war nicht so gut“ habe ich eigentlich öfter. - Aber nie so. Ich habe die Folge 10 Tage liegen gelassen und dann nochmal mit etwas Abstand reingehört. Auch mit Schneiden nix zu machen. - Das geht nicht.

Im Endeffekt habe ich die Folge in den Giftschrank gepackt und sie wird leider nicht veröffentlicht.
Der Ton war übrigens phänomenal gut.

Am schwierigsten war, meinen Gast zu informieren. Ich war da sehr offen und ehrlich. Man ahnte aber wohl schon so etwas und deshalb hatte ich nur via Whatsapp die Chance. Eine lange Nachricht, an der ich einen halben Tag herumgebastelt habe. - Man könnte meinen, ich mache Schluss.
Mein Gegenüber war natürlich gar nicht begeistert, konnte die Gründe aber nachvollziehen. Blöd war es trotzdem.
Das gehört auch dazu, war aber das Schwierigste überhaupt.

Bei manchen Folgen schwanke ich ein wenig. Dann gebe ich sie anderen Menschen zum Hören und werde meist belehrt, dass das richtig gut ist. Eine zweite und dritte Meinung ist manchmal wichtig und dann lasse ich mich gerne überzeugen.

Beim zweiten Mal wird es bestimmt leichter. Diese Erfahrung musste ich jedoch zum Glück noch nicht machen.

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Ich hatte eine ähnliche Situation, ich hatte eine Podcast Episode aufgenommen, die ich unmittelbar nach dem Gespräch auch für gut hielt. Erst zu Hause habe ich dann gemerkt, dass die Inhalte zwar gut waren, meine Gesprächspartner aber blass blieben.

Ich habe mich dann im Nachgang bei Ihnen gemeldet und gesagt, dass ich die Episode so nicht veröffentlichen wollte, weil es mir nicht gelungen war, ihre Persönlichkeiten abzubilden. Ich habe also die Verantwortung voll auf mich genommen und gesagt, dass mir vielleicht nicht die richtigen Fragen eingefallen sind. Ich finde das ist auch ein Gebot der Höflichkeit, wenn sich schon jemand Zeit nimmt für ein Gespräch, dass ich ihn/sie nicht kritisiere.

Ich habe dann im Abstand von mehreren Monaten die Episode einer Kollegin zum Hören gegeben. Sie hat ein paar Vorschläge gemacht, wie ich das Projekt retten konnte. So habe ich zum Beispiel das Gespräch etwa nach der halben Dauer in zwei Teile aufgeteilt, so dass es etwas kurzweiliger rüber kam. Außerdem habe ich an geeigneten Stellen noch mal gekürzt. Insgesamt hielt sich der Arbeitsaufwand in Grenzen. Die dann zwei Episoden waren sicherlich nicht meine besten, aber insgesamt hörbar.

Ich finde es beim Podcast neben allen inhaltlichen Aspekten mindestens genauso wichtig, die Persönlichkeit abzubilden, mit der ich mich unterhalte. Das gelingt mal besser mal schlechter. Oft habe ich auch festgestellt, dass die Vorbereitung eines Gespräches für mich nicht zu intensiv sein darf. Mir ist es wichtig, im Gespräch auch mal überrascht zu werden und nicht alle Antworten quasi schon vorher zu kennen. Außerdem habe ich inzwischen etwas besser gelernt, auch einfach mal einzuhaken und abzuschweifen. Das ist ja das schöne am Podcast, dass er eben kein streng geführtes Interview ist, sondern, dass man hier viel größere Freiheiten hat auch mal abzuschweifen. Außerdem finde ich es immer schön, wenn es auch gelingt, Atmo mit einzufangen, wie @SebastianStix beschrieben hat.

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meistens hilft es, mit etwas abstand nochmal in den schnitt zu gehen. zumindest hatte ich so noch nie einen ausfall.

man kann die risiken minimieren, in dem man vor der anfrage an eine person diverse interviews anhört/ansieht (nicht liest). da merkt man im grunde, ob das passt. und dann braucht die sache manchmal zeit und kann im nachgang gekürzt werden.

mfg
mh

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@Ahappyfreak Ich schneide ebenfalls oft nach. Bisher waren es zumeist - auch bei guten Gesprächen - 50 - 70%, die geschnitten wurden, um dramaturgisch zu straffen. Teilweise, aber selten, habe ich umgestellt, manche Blöcke ergänzen sich, sind aber nicht hintereinander gewesen. Zusätzlich nutze ich Musik als Zäsuren zwischen einzelnen Blöcken.

@Joram Im Anschluss habe ich den Schnitt an die Personen geschickt, die hatten dann die Möglichkeit, sich dazu zu äußern, bevor was veröffentlicht wurde. Da ist meiner Einschätzung nach die Möglichkeit, dass jemand von sich aus sagt: Hey, lieber nicht.

Prinzipiell habe ich vorab immer gesagt: wir treffen uns, nehmen auf, du musst der Veröffentlichung vorher nicht zustimmen. Also nicht die Katze im Sack kaufen. Nach dem Gespräch sagst du: Ja oder Nein. Und wenn ja, unterschreibst du mir ein Speaker’s Agreement, dass ich das dann nutzen kann. Und wir haben beide diese Möglichkeit, das zu sagen - lieber nicht (nach dem Gespräch). Ich auch. Und du weißt, ich schneide das dann - es wird also nicht alles unbedingt drin sein.

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