Was erlaubt das Format Podcast?

Ich hab die Tage ein bisschen darüber nachgedacht wie so manche Kulturtechnik im Rückblick von begrenzten Vorstellungen ausging, oder durch technische Fortschritte erst später erweitert werden konnte. Unter der Arbeitsdefinition „Ein Podcast ist eine thematisch von Wenigen produzierte und für Viele vorgesehene Audiokonserve des gesprochenen Wortes“ hab ich mal angefangen mir die Fragen zu stellen „Und was, wenn dem nicht so wäre?“

Oder anders gefragt - was steckt im Podcastformat noch an Potential drin?

Eine Idee, die mich schon seit längerem fasziniert, ist die Idee eine podcastende Person von der Podcastfolge getrennt zu betrachten, und dafür den Fokus ganz auf das Thema und die Aktualität einer Episode zu legen.

Eine Idee wäre z.B. - die eigenen Audiospuren anderen zur freien Verfügung zu stellen - damit diese wie zu einem akustischen Wiki weiterverwendet werden können.

Vorab: Es gibt berechtigte Punkte mit der Idee prinzipiell zu fremdeln (was, wenn mir nicht gefällt was andere daraus machen?) aber auch gute Punkte, die vielleicht doch dafür sprechen dass das keine schlechte Idee sein muss - und vielleicht kann ich euch überzeugen dass es zumindest einen Testlauf wert ist.

• Es gibt gut funktionierende Präzedenz für die Vorgehensweise im Hörfunk, Korrespondenten. Menschen, die näher am Geschehen dran sind, tiefer im Thema drin stecken, oder die vielleicht auf dem kurzen Dienstweg den Zugang zu Leuten haben, die man selbst nicht vor ein Mikro bekommen hätte. Interviewformate die zu einem Beitrag oder Feature zusammengeschnitten werden.

• Einmal produzierte Episoden, so großartig sie auch sind, veralten mit der Zeit, haben eventuell auch inhaltliche Fehler. Sobald ein Thema eine politische, gesellschaftliche oder technische Note hat, veralten die sogar ziemlich bald… und keiner von uns macht sich die Mühe zum selben Thema deswegen eine neue Episode aufzunehmen, oder die alte nochmal anzufassen.

• Niemand ist die letzte Instanz zu allen Themen, über die er oder sie mal gesprochen hat. beste Experte in allen Themen, über die er oder sie spricht. Jede Podcastproduktion ist ein Griff in die Wundertüte… kommen zufällig die beste Person mit dem besten Wissen, genug Zeit für Recherche und Bearbeitung zusammen, und hat die Reichweite damit möglichst viele interessierte Personen zu erreichen - oder kann man da was dran verbessern?

Wie sähe es aus, wenn wir Podcastepisoden als Gruppenprojekte verstehen… Sendungsnotizen Crowdsourcen, rumfragen wer in seiner Privatsphäre vielleicht gute Interviewpartner hat? Welche Fragen man denen stellt, oder ob man ein längeres Gespräch führt und daraus schneidet?

Für den Fall dass es interessierte Menschen gibt, die das als Projekt gerne mal testen würden… und mit denen zusammen man ausloten kann welche Werkzeuge dafür gut genutzt werden könnten, hab ich mal einen Server unter konversatorium.net aufgesetzt - ich würde vorschlagen wir suchen uns ein Thema raus, und machen dazu eine gemeinschaftliche Episode mit Vorbereitung, Aufnahme, Nachbearbeitung und stellen das Rohmaterial dann weiter zur Verfügung.

Yes / No / Abort ?

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Finde ich spannend und würde bei einem Testlauf gern mitmachen. Ein paar Ergänzungen zu den Eingangsgedanken: Im Radio gibt es einen klar definierten Umgang mit dem Material, das etwa Korrespondenten zur Verfügung stellen oder das man sich aus dem Archiv holt. Letztlich sind das einfache Grundregeln des gesunden Menschenverstandes. Zuvorderst, dass man natürlich eine einzelne Aussage nicht aus dem Kontext reißt und ins Gegenteil verkehrt. Das man bei Gesprächen aus dem Archiv erwähnt, wann das Interview geführt wurde oder dass man die Quelle nennt. (xy sagte bei der Konferenz re:publica) usw. usf. Eigentlich wäre es eine Selbstverständlichkeit, diesen Maßstab auch an diese Produktion anzulegen, aber das müsste halt einigermaßen verbindlich geklärt sein, damit es wirkt. Transparente Bearbeitungsschritte ähnlich der WIkipedia und vielleicht sogar die Möglichkeit Änderungen rückgängig zu machen halte ich für wichtig dabei.

Und was bleibt, ist die Frage nach der Veröffentlichung von Änderungen. Wenn ich heute eine Episode produziere zu der drei andere etwas beigetragen haben und in zwei Monaten geht eine fünfte Person noch einmal drüber, fügt etwas ein, entfernt einen alten Wissensstand und aktualisiert diese Episode dann - wie bekommen die ursprünglichen Autorinnen und bisherigen Hörerinnen davon mit? Ich denke hier auf der technischen Ebene von Veröffentlichungen unter Wordpress. Man könnte „aktualisiert am $Datum“ mit in den Titel aufnehmen und in den Shownotes einen Deeplink auf die vorherige(n) Version(en) setzen, mit einer aktualisierten GUID taucht die Episode als „neu“ in den Podcatchern der Abonnentinnen auf - sie behält aber afaik ihr ursprüngliches Datum, steht also als ungespielt unter den neueren fünf bis sieben Episoden im Feed. (vereinfachte Darstellung) Wordpress/Podlove Publisher würde auch die eingebaute E-Mail-Notification nicht anstoßen, wenn die Episode nur aktualisiert und nicht neu veröffentlicht wird.

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Ich sehe eher den rechtlichen Aspekt als potenziell kritisch, sprich Lizenzen und so. Genauso wie den Kontaktadressen zu den Verantwortlichen alter Sendungen. Etliche alte Podcasts, auch sehr gute Podcasts, sind ins Nirvana entschwunden mitsamt Kontaktmöglichkeiten, so dass man eventuelle Nachfragen nicht mehr machen kann, was durchaus sinnvoll sein kann.
Speziell bei nicht 100% klaren Sätzen kann ein „Wie warn das gemeint?“ hilfreich sein um noch 1-2 Sätze der Klarheit hinzuzufügen.

Darüberhinaus ists halt auch ne Frage, was passiert, wenn jemand seinen/ihren Content wieder aus dem Netz raushaben will.
Nicholas Semak hat meiner Erinnerung nach einen seiner alten Podcasts komplett aus dem Netz entfernt, weil er nicht mehr hinter dem stehen konnte(warum genau, hab ich aber nicht mehr im Kopf).
Manche „Sünden der Vergangenheit“ will man vielleicht auch manchmal loswerden können(wenns z.B. mit nem neuen Arbeitgeber kollidiert), was dann aber Auswirkung auf Dutzende Produktionen hat, die auf das Material zurückgreifen.
Da haben Radios z.B. noch ganz andere Kapazitäten das alles rechtlich sauber abzusichern und Redaktionen, die Sendungsmachende daran hindern sich um Kopf und Kragen zu reden und ihre Zukunft zu verbauen.

Die Idee ist also gut, aber man darf bei allem Idealismus nicht vergessen, dass am Ende Menschen die Beiträge machen und sich weiterentwickeln. Das willste von Anfang an mitdenken, damits nicht am Ende zu lauter depublizierten Sendungen führt.

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Es gibt auch in den Archiven der ÖR-Sender etliches Material mit Sperrvermerk bei dem man die weitere Verwendung genau begründen und ggf durch das Justiziariat prüfen lassen muss. Sowas kann und sollte man mitdenken.

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Spannend eigentlich dass das eine der ersten Rückmeldungen ist, denn für mich war die Initialzündung mich mit dem Thema zu beschäftigen genau die Sorge um die bevorstehenden Uploadfilter in der Umsetzung des Artikel 17 der EU Urheberrechtsnovelle. Also sollte das ganze hier eine ausreichenden Anzahl an beteiligten interessierten Personen finden, dann wäre meine Idee auch gewesen das ganze dann in eine Rechtsform zu kippen, welche nach außen hin als Auftraggebende für die Produktion auftritt.

Mittels welchen Verfahrens gewährleistet werden kann dass Person X ihre „Früheren Sünden“ bereut und aus dem Netz raushaben will, sollte in der Tat früh mitgedacht werden (wobei ich auch denke das Projekt birgt die Lösung in sich) - solange alles Audiomaterial vorliegt, und nachgehalten ist wo es Verwendung findet, kann man auf jeden Fall die Episoden ausfindig machen und - schnell durch eine Neuproduktion ersetzen… das Material ist ja aus anderen Quellen immer noch da.

Auch wenn ich persönlich glaube das wird in der Praxis ein Nischenproblem sein… ich kann mir zumindest kein Konzept vorstellen, dass für Selbstdarstellung oder besonders kritische Positionen so ungeeignet wäre wie eine kollaborative Podcastproduktion.

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Beim lesen dieses Postings ist mir wieder die „Podlove-Timeline“ eingefallen. @timpritlove hat damals auf der FrOSCon darüber gesprochen. (https://youtu.be/S9T2Vrj5AbA?t=1280)

Das wäre meiner Meinung nach ein super Startpunkt für ein solches Projekt…

Auch wenn es nichts mit dem Thema zu tun hat, muss ich doch mal fragen: Wenn du das Wort ‚Privatsphäre‘ verwendest, um das persönliche Umfeld zu beschreiben, mit welchem Wort bezeichnest du den persönlichen der öffentlichen Einsehbarkeit entzogenen Raum?

Seltsame Zwänge hast du da :wink: Aber ja, das Wort hätte besser gewählt werden können. Gemeint war das Umfeld, das jemandem durch die eigene Person zur Verfügung steht.

Sei es im privaten Umfeld, oder auch durch beruflichen Kontakt.

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Danke. Na ich war fasziniert von dem Gedanken, dass du jemand ohne Konzept von Privatsphäre (im klassischen Sinne) sein könntest.

Bitte macht weiter.

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