Vorteile von Podcasts jenseits von Reichweite und Schotter

Kürzlich ploppte in meiner Netzwerkbubble ein Phänomen auf, welches ich eigentlich für die Stärke medialer Vernetzung inkl. Podcasts gegenüber Radio und Fernsehen halte und welches mir vorkam, als wenn es eben nicht häufig vorkäme. Es geht um Podcasts, die sich mehr oder weniger als Arbeitsgespräche versstehen lassen.

Unser Podcastteam hatte in einem anderen Podcast jemandem zu einem Thema gehört, was uns auch selbst beschäftigte und luden ihn ein. Die Thesen dieser Episode wurden dann von einem weiteren Podcast analysiert. Das wiederum diskutierte wieder ein anderer Podcast (alles soziologische Formate). Wir holten dann wieder jemanden zum Thema in unseren Podcast. Die Beteiligten tauschten sich dazu rege auf Twitter aus und schrieben Blogbeiträge. Alles fand jenseits des Kuratierens statt, im Gegenteil, die Podcasts kritisierten sich zum Teil gegenseitig, hier und da gab es Streit. Letztlich wurde ein Thema aber von mehreren Podcastern derselben Branche bearbeitet und hat sie und unter jenen Hörerinnen und Hörer, welche sich mit dem Thema intensiv beschäftigen, sicher auch Impulse gesetzt. Massentauglich war das alles nicht. Die beteiligten tun sich nicht gerade dadurch hervor, dass sie auf beste Soundqualität achten oder einem breiten Publikum etwas vermitteln wollen. Das Publikum bleibt dadurch kleiner, der Impact ist bei den Verbliebenden mitunter Stärker. Wir haben ein Dutzend Rückmeldungen von Schülern und SoWi-Studierenden, die sich freuen nicht irgendwie explizites „Wissen“ vermittelt zu bekommen, sondern einfach zu hören, wie man in unserem Fach argumentiert und streitet. Diese Personengruppe wird ansonsten fast nur in formalen und hierarchischen Kontexten mit ihrem Fach konfrontiert.

Soweit ich die Podcastszene überblicke (was sehr eingeschränkt der Fall ist), fielen mir solche Szenarien nur auf, wenn sich die Szene mit sich selbst beschäftigte, in der Regel, wenn es um Labels, Mikros, Geld und Reichweite geht. Dabei gibt es vermutlich thematische Cluster, Geschichtspodcasts, die um Karl den Großen streiten können oder thematisch aufeinander Bezug nehmende Naturwissenschaftspodcasts. Podcasts orientieren sich mit Reichweite und Monetarisierung an den Zielen des Radios. Einen regen spezifisch themenbezogenen Austausch der Podcasts mit Blogs, Videos, Twitter derselben Profession etc. sehe ich selten. Stattdessen macht man Quasiradio, das halt nur länger dauert als normales Radio.

Bitte nicht falsch verstehen, ich finde Quasiradio nicht verkehrt, höre das sehr gern und ich würde auch aussteigen, wenn sich Fachbiologen über die DNA Helix streiten. Ich glaube nur, dass in Sachen Gemeinnutzen mehr Wissenschaft auch jenseits von Wissenschaftsjournalismus verpodcastet werden könnte. Vermutlich stehen da aber universitäre Machtstrukturen gegen.

Deshalb meine Frage, sind euch solche thematisch bezogenen, evtl. Medienübergreifende Kommunikationsstrudel schon untergekommen? Evtl. außerhalb des Wissenschaftskontextes.

Sehr interessante Fragen, die du da stellst- ich spreche zwar auch aus dem Wissenschaftsbereich, doch aus der anderen Ecke. =)

Zunächst einmal empfinde ich die Frage nach Reichweite zu kurz- viele verstehen darunter nur die Anzahl der Hörenden. In der Wissensvermittlung ist es aber viel wichtiger, wie viel aus Interesse an einem Thema gehört wird: Da zählt es aus meiner Sicht viel weniger, wenn eine Million 5min hören, als wenn 100’000 sich 50min mit einem Thema beschäftigen. Es gibt einfach noch keinen Nürnberger Trichter, so sehr sich das viele Menschen wünschen.

Die Interaktion zwischen Podcasts findet auch in den naturwissenschaftlichen Podcasts statt- doch oft “nur” in der einen oder anderen Form des Kuratierens. Gerade in den Formaten, wo sich zwei oder mehr feste Personen unterhalten, wird auf andere Podcasts Bezug genommen- oft als Vorstellung der Themen: Ich empfinde das auch nicht zu verwunderlich, denn schon innerhalb der Fachbereiche gibt es weniger Fälle, wo jemand ähnlich tief zu einem Thema Stellung nehmen kann. Doch mitunter werden offene Fragen geklärt, die in einem anderen Podcast auftraten.

Ein wichtiges Hilfsmittel wäre hier klar der Aufbau einer Datenbank, wo man behandelte Inhalte leichter wiederfinden kann, wenn es nicht gerade einen unmittelbaren Bezug gibt. Natürlich sind wir bei den http://wissenschaftspodcasts.de/ nicht gleich damit gestartet, aber es bleibt ein stiller Wunsch von mir, dass irgendwann die Recherche einfacher wird. Natürlich ist https://fyyd.de/ auch schon ein riesiger Schritt dahin. Wenn ich nur daran denke, wie viele Podcasts und Sendungen jetzt CRISPR entdecken, obwohl Konscience vor gefühlt einer halben Ewigkeit das schon episch behandelt hat und fast nie referenziert wird.

Über Anknüpfungspunkte außerhalb unserer Bubble erfahren wir nur im Nachhinein- aber um so mehr freut es uns dann, wenn es aufgrund eines Gesprächs in unserem Podcast plötzlich Einladungen unserer Gesprächspartner oder aktuell die Anfrage zu einem Experteninterview durch ein weltweit börsennotiertes Unternehmen gibt. Ich kann aber natürlich nicht sagen, ob das jeweils an der Aufnahme oder am umfangreichen Begleittext liegt, der von den Suchmaschinen typischerweise sehr hoch gerankt wird.

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