Spannendes Thema!
Ich schreibe für das Triumvirat für historisch inspirierte Humorvermittlung all meinen Sprechertext – gut und gerne 6.000 bis 10.000 Wörter pro Episode – komplett vor. Aus mehreren Gründen:
- Ich hasse das Gefühl, schlecht vorbereitet zu sein.
- Nur ich kenne das Thema einer Episode, meine beiden Mitstreiter werden zum Improvisieren gezwungen – ich finde, das ergibt einen schönen Kontrast.
- Ähnlich wie beim Spickzettelschreiben früher kann ich allein durch das Ausschreiben meinen Text so gut verinnerlichen, dass ich später gar nicht mehr alles 1:1 vorlesen muss. Ich lese oft nur einen Absatz an und ergänze den Rest frei gesprochen. Trotzdem habe ich den Text als Notfallanker, um nichts zu vergessen.
- Ich schreibe einfach wahnsinnig gerne – wenn’s sein muss, auch beruflich.
Interessante Selbstbeobachtung: Ich ertrage es nur in Ausnahmefällen, Podcasts zu lauschen, die offenhörlich komplett abgelesen werden. Ich nehme an, es ist Punkt [2], der für mich hier den Unterschied macht.
Mein Prozess und meine Tools sind eher unspannend: Ich schreibe meist in Ulysses (in Markdown), das es mittlerweile leider nur noch als Abo gibt. Dafür aber hat es ein nettes Mini-Feature: Es zeigt mir die Zeit an, die ich voraussichtlich zum Vorlesen benötige. Ist ganz spannend, um die Dauer der Folge schon mal grob abzuschätzen.
Bei der Aufnahme lese ich das Ganze dann aus einem PDF ab. Bin aktuell (mal wieder) dabei, mir einen Javascript-basierten Reader zu bauen, der mir Timecodes zu den Absätzen schreibt, die ich gerade vorlese – eventuell, um später daraus mal automatisch Kapitelmarken zu generieren. Es ist allerdings fraglich, ob dieses Projekt jemals fertig wird …
Als Tipp kann ich nur mitgeben: Der wichtigste Teil des Schreibens ist die Phase nach dem Schreiben. Da gehe ich über den gesamten Texte noch mehrmals drüber, schmeiße alles raus, was für mich zu aufgebläht klingt, und formuliere so um, das die Vorlesestimme in meinem Kopf zufrieden ist. Wie ein paar Beiträge weiter oben zu lesen ist, bin ich wohl nicht der Einzige, der das so macht. Falls es sich bei der Aufnahme ergibt, “erzähle” ich Fragmente aus den weggestrichenen Passagen dann frei aus dem Gedächtnis.
Und vielleicht noch ein Mini-Tipp: Da ich ja wirklich nur für mich schreibe, bin ich nicht gezwungen, mich an übliche Textkonventionen zu halten. Ich kann Wiederholungen und (!!)BETONUNGEN(!!) so reinschreiben, wie ich sie sprechen will. Ich kann Halbsätze, Sil-ben – oder auch Gedankenstriche – so über meinen Text verteilen, wie ich lustig bin – und wie es zu meinem Leserhythmus passt. Und falls mal ein Fehler drin ist, kann ich genau den auch thematisieren und Witze über meine Unzulänglichkeiten machen. Schließlich produzieren wir ja weder Radio noch Hörbücher, sondern Podcasts – und da gehört etwas Mut zur Imperfektion für mich unbedingt mit dazu (aber nicht zu viel, weil [1] ). Plus: Wenn ich über Fehler in meinem Skript spreche, wissen die Hörer, dass ich eines habe. Es entsteht also – wie oben schon mal thematisiert – kein falscher Eindruck bei den Zuhörenden.