Schreiben fürs Ohr

Ich habe für mein Projekttagebuch eine Folge produziert in der ich mich mit @Explikator über das Thema “Schreiben fürs Ohr” (letztlich ging es uns dann daneben auch etwas allgemeiner um Sprache in Podcasts) unterhalten habe und würde gerne mal von jenen lesen, die ihre Podcasts mit Text vorbereiten (per Skript oder anderweitig)

Welchem Prozess folgst Du? Wie viel / bei was skriptest Du? Hast Du Tipps? Welche Tools verwendest du? Was geht Deiner Erfahrung nach gar nicht, was sind Dinge, die Du Neueinsteigern als Tipp mitgibst?

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Für mich funktionieren Stichworte am Besten. Sie erhöhen zwar die “Ähm”-Dichte, aber die Spreche ist so am Natürlichsten bei vergleichsweise geringem Vorbereitungsaufwand.

Ohne die Folge gehört zu haben: Mein Tipp für Schreiben fürs Hören ist folgender: Man diktiert sich den Text selbst. Erst Satzteile laut Aussprechen, dann Aufschreiben und dann satz- und absatzweise laut lesen ob das Sinn ergibt was man aufgeschrieben hat.

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Ich habe 2016 eher zufällig zum gescripteten Podcast gefunden und mache das seit dem zunehmend, bei Superlevel mit away from keyboard und Dev Mode, heute mit afk.berlin und Hinter den Pixeln. Eigentlich mache ich fast nur noch gescriptete Formate, weil der Schnitt so unglaublich viele Möglichkeiten bietet, Informationen in einem Podcast zu vermitteln (und das “Bauen” mir mittlerweile mehr Spaß macht als das Sprechen).

Hinter den Pixeln sind je einstündige Folgen, die in der Regel aus drei Interviews und Moderationen dazwischen bestehen. Reine Moderation, ohne Interviews und Einspieler, sind meistens so zwischen 2200 bis 2600 Wörtern. Die Scripte schreibe ich einfach in Word, lege vorher aber farbliche Markierungen für Interviewpartner fest, die sich auch in Reaper wiederspiegeln. Das hilft mir in beiden Programmen dabei, den “Fluss” der Episode im Auge zu behalten. Dann gehe ich die nach recht groben thematischen Fragen gehaltenen Interviews durch und suche nach dem roten Faden, der “Story”. Und dann schreibe ich wo nötig erläuternde und überleitende Moderationen.

Was ich auf jeden Fall lernen musste (und über die drei Jahre lässt sich da glaube ich eine massive Veränderung raushören) ist ein Sprachrhythmus beim Lesen, aber einen wirklichen Ratschlag außer “viel machen” habe ich da nicht. Ich probiere immer wieder auch mal eher Stichwortartige Skripte aus, bin persönlich am Ende aber wieder bei größtenteils wortgenauen Moderationen gelandet.

Was ich auf jeden Fall gelernt habe ist, dass man (oder zumindest ich) bei Podcastscripten anfangs zu Längen neigte. Mittlerweile kürze ich meine Scripte wenn sie fertig sind noch einmal radikal runter und nehme mich dadurch (gegenüber den eingespielten Interviews) immer weiter aus meinen eigenen Podcasts raus. Mehr noch als bei Text habe ich bei geschriebenen Podcats das Gefühl, dass weniger mehr sein kann, weil man statt mit verspielten Worten mit Rhythmus und Betonung eine eigene Note reinbringen kann.

Nachdem ich mittlerweile mehr Podcast-Scripte als andere Texte schreibe hat das auf jeden Fall umgekehrt meinen Schreibstil beeinflusst. Ich schreibe tatsächlich “für’s Ohr” und lande am Ende oft bei Sätzen, die in meinem Sprachduktus vorgelesen gut klingen. (Ob das meine gelesenen Texte besser oder schlechter macht müssen aber andere beurteilen.)

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Skripte fürs Sprechen sind „böse“. Die Zeit, die ich verwende, sie besser zu schreiben, sollte ich besser verwenden, besser zu reden.

(Schönes Gespräch übrigens von Oliver und Dirk)

Wir hatten übrigens auf der Subscribe10 einen Lachmoment, als durch einen Übermittlungsfehler aus dem Wort „Laberpodcast“ die Bezeichnung „Ad-hoc-Podcast“ entstand.

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Wenn die so böse sind - warum machen das dann so viele, insbesondere auch die so oft bewunderten ach-wie-professionellen Formate in den USA? Da gibt es eigene Rollen im Team, die nichts anderes machen als dabei zu helfen möglichst natürlich klingende Skripte zu bauen und dann einzusprechen (Pacer).

Oder anders: Du kommst ja vom Radio - hast Du das Skripten mal gelernt und bist deswegen gewissermaßen vortrainiert und damit souveräner in freier Rede?

Na schau, Scripte erwecken einen Schein, den ich als Hörer:in nicht erkennen kann, soll ich ja nicht, sie sollen ja möglichst natürlich klingen. Das stellt ein Ungleichgewicht her. In der ersten Version meines Beitrags hier habe ich von Betrug gesprochen, was mir aber doch den Tick zu hart vorkommt, deshalb habe ich es dann geändert. So viel ich weiß, ist beim US-Podcast es durchaus üblich, sich gegenseitig die Geschichte zu erzählen. Also eben nicht zu scripten, sondern so lange miteinander zu reden, bis es passt. Das gefällt mir.

Beim Radio schreibe ich immer Manuskripte. Die vorgelesen werden. Die ich möglichst so schreibe, dass ich sie gut lesen kann. Ich erwecke also nicht den Schein der freien Sprache, sondern pflege den Stil des Manuskriptlesens, was ganz was Eigenes ist. Es ist aber für die Hörer:innen erkennbar. Ich scripte beim Radio nicht. Was ich zunehmend versuche ist, die Geschichte ohne Manuskript zu erzählen, was eine Übungssache ist, die redlich Spaß macht.

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Hängt sich das nicht zu sehr an Begrifflichkeiten auf, für die wir hier keine einheitliche Grundlage haben? In meinem Fall nenne ich es „Scripte“, aber nach dem was du schreibst wären es eher „Manuskripte“.

Es ist doch erstmal nur eine Frage (um die es hier ja auch geht), wie jede*r selbst das Geschriebene für einen Podcast einsetzt oder einsetzen kann, seien es jetzt „Scripte“, „Manuskripte“ oder dreihundert Post-Its mit Stichwörtern, als strikt gelesener Text oder natürlich wirkende Gedankenstütze.

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Wir nutzen Google-Docs und machen dort Themenkomplexe und Stichpunkte dazu. Bisher reichte das immer aus. Mehr zu schreiben ist für uns zu viel Aufwand und hört sich dann irgendwie auch etwas “abgelesen” an, verringert aber natürlich die "Ähm"s beträchtlich.

Wahrscheinlich wäre ein Moderationskurs oder ähnliches nicht verkehrt für uns, um einerseits das Sprechen und betonen zu erleernen, was evtl. zu mehr Sicherheit führt und man dann auch weniger “Ähm” nutzt, wenn man nur mit einem Skript arbeitet. Eine Liste mir Füllwörtern wäre vlt. hilfreich oder ganze Sätze, die man in solchen Phasen einstreuen könnte.

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Ich neige auch dazu, mir große Teile vorzuschreiben. Das läuft aber eher so ab, dass ich mir selbst Sätze (im Kopf) vorspreche, und diese dann Aufschreibe und ausarbeite. Sieht geschrieben furchtbar aus, ist aber letztendlich eine Stütze, viele Ähms zu vermeiden und einen sauberen Fluss zu erhalten.

Das schließt in meinem Format auch Passagen, die frei gesprochen sind (etwa Anekdoten usw.) nicht aus, hilft aber, den vorher erarbeiteten Teil besser rüber zu bringen. Ich arbeite noch stark daran, aber ein Zwischenweg aus beidem finde ich gut. Natürlich achte ich darauf, dass man nicht erkennt, welcher Part wie vorgetragen wurde.

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Aus meiner Radiozeit habe ich immer vorgeschrieben. Alles. Bis aufs Wort. Aber dann locker abgelesen. Ich habe mir eine Eigenschaft angewöhnt, irgendwann nicht mehr Wort für Wort zu lesen, sondern drüber zu scannen. Und weil es meine Worte waren, funktionierte das super.
Zudem bin ich ja grob auf den Text eingegroovt, ich lese den dann ja nicht zum ersten Mal.

Beim Thema “Schreiben fürs Ohr” dachte ich ja eher an “Wie schreibe ich, damit das Gesprochene lebendig klingt?”. Da möchte ich das in Radiokreisen bekannte, teilweise auch verpönte, aber für Einsteiger super geeignete Buch von Patrick Lynen verweisen:

Warum auch teilweise verpönt? Nun, würde man das Buch 1:1 anwenden, so würde eine Wettermoderation wie folgt klingen: “Was für ein schöner Tag: Die Sonne ist gerade durch die grauen Wolken gebrochen [Farben, Bilder im Kopf!] und die Sonnenstrahlen versetzen die Warschauer Straße [Ortsmarke!] in einen warmen Lichtschein [Bilder im Kopf, Emotionen!]. Und ich habe schon heute morgen auf dem Weg die ersten in pinken, bunten Hosen gesehen [Farben! Persönliche Geschichte!] - es wird ein großartiger Tag, endlich den Rasen draußen zu mähen nach dieser langen Regenphase [Ratgeber, Persönlichkeit!].”

In der Summe ein Stück zu viel des Guten, aber die Grundsätze sind schon sinnvoll.
Und wer schon einige Posts von mir gelesen hat, der weiß, dass ich die Meinung vertrete, dass Radio und Podcast sehr sehr viel gemeinsam haben. Also, ich kann den Lynen nur empfehlen, wenn es ums Schreiben fürs Ohr geht. :slight_smile:
#noad :wink:

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An- und Abmoderationen oder Voice-Over skripte ich, so werden die Texte sprachlich einfach ausgefeilter und prägnanter. Für Interviews/Gespräche verwende ich dann eine Outline mit Stichworten, was natürlicher klingt und schon mal eine gewisse Struktur vorgibt. So kann ich auch freier von der vorigen Antwort auf meine nächste Frage überleiten.

Gute Einstiegshilfen in die Radiosprache:

Andreas Klug – Schreiben fürs Sprechen

Campusradio Trier – Leitfaden für die Moderation

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Bei euren Skripts, worauf achtet ihr da sprachlich? Habt ihr konkrete Tipps?

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Kurze Sätze ohne Einschübe. Verbhaufen am Satzende vermeiden (“Alle, die das am Samstag, als die Sonne so niedrig stand, sahen, klatschten.”)

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  • Eigene Sprache. Eigene Sprache, eigene Sprache! Schreibe jedes Skript auf deine Sprache, auf deinen Duktus, deine Wortwahl um. Vor allem aus zwei Gründen: Einfacher zu lesen (weil eigene Wortwahl) und lebendiger im Vortragen (weil eigene Wortwahl).
  • Kurze Sätze. Nun nicht Subjekt-Prädikat-Objekt, aber eben dann doch schon kurz.
  • Zahlen runden oder vergleichbar gestalten (“20 Millionen Deutsche arbeiten mehr als die Regelarbeitszeit” statt “19,65 Millionen Deutsche”. Oder, vielleicht noch prägnanter: “Jeder vierte Deutsche…”)
  • Spaß am Earcatcher. Sollte man nicht übertreiben, aber ein pfiffiger Spruch, ein gut gesetzter Drop oder ein intelligentes Wortspiel sorgen für Dynamik.
  • Interesse am Inhalt - und sei es nur so erzwungen: Aber man hört sofort, wenn einem das Thema null interessiert. Wenn man irgendwo noch ein bisschen Interesse herkratzen kann: Sie gehört ins Skript und die Sendung!
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Spannendes Thema!

Ich schreibe für das Triumvirat für historisch inspirierte Humorvermittlung all meinen Sprechertext – gut und gerne 6.000 bis 10.000 Wörter pro Episode – komplett vor. Aus mehreren Gründen:

  1. Ich hasse das Gefühl, schlecht vorbereitet zu sein.
  2. Nur ich kenne das Thema einer Episode, meine beiden Mitstreiter werden zum Improvisieren gezwungen – ich finde, das ergibt einen schönen Kontrast.
  3. Ähnlich wie beim Spickzettelschreiben früher kann ich allein durch das Ausschreiben meinen Text so gut verinnerlichen, dass ich später gar nicht mehr alles 1:1 vorlesen muss. Ich lese oft nur einen Absatz an und ergänze den Rest frei gesprochen. Trotzdem habe ich den Text als Notfallanker, um nichts zu vergessen.
  4. Ich schreibe einfach wahnsinnig gerne – wenn’s sein muss, auch beruflich.

Interessante Selbstbeobachtung: Ich ertrage es nur in Ausnahmefällen, Podcasts zu lauschen, die offenhörlich komplett abgelesen werden. Ich nehme an, es ist Punkt [2], der für mich hier den Unterschied macht.

Mein Prozess und meine Tools sind eher unspannend: Ich schreibe meist in Ulysses (in Markdown), das es mittlerweile leider nur noch als Abo gibt. Dafür aber hat es ein nettes Mini-Feature: Es zeigt mir die Zeit an, die ich voraussichtlich zum Vorlesen benötige. Ist ganz spannend, um die Dauer der Folge schon mal grob abzuschätzen.

Bei der Aufnahme lese ich das Ganze dann aus einem PDF ab. Bin aktuell (mal wieder) dabei, mir einen Javascript-basierten Reader zu bauen, der mir Timecodes zu den Absätzen schreibt, die ich gerade vorlese – eventuell, um später daraus mal automatisch Kapitelmarken zu generieren. Es ist allerdings fraglich, ob dieses Projekt jemals fertig wird …

Als Tipp kann ich nur mitgeben: Der wichtigste Teil des Schreibens ist die Phase nach dem Schreiben. Da gehe ich über den gesamten Texte noch mehrmals drüber, schmeiße alles raus, was für mich zu aufgebläht klingt, und formuliere so um, das die Vorlesestimme in meinem Kopf zufrieden ist. Wie ein paar Beiträge weiter oben zu lesen ist, bin ich wohl nicht der Einzige, der das so macht. Falls es sich bei der Aufnahme ergibt, “erzähle” ich Fragmente aus den weggestrichenen Passagen dann frei aus dem Gedächtnis.

Und vielleicht noch ein Mini-Tipp: Da ich ja wirklich nur für mich schreibe, bin ich nicht gezwungen, mich an übliche Textkonventionen zu halten. Ich kann Wiederholungen und (!!)BETONUNGEN(!!) so reinschreiben, wie ich sie sprechen will. Ich kann Halbsätze, Sil-ben – oder auch Gedankenstriche – so über meinen Text verteilen, wie ich lustig bin – und wie es zu meinem Leserhythmus passt. Und falls mal ein Fehler drin ist, kann ich genau den auch thematisieren und Witze über meine Unzulänglichkeiten machen. Schließlich produzieren wir ja weder Radio noch Hörbücher, sondern Podcasts – und da gehört etwas Mut zur Imperfektion für mich unbedingt mit dazu (aber nicht zu viel, weil [1] :stuck_out_tongue:). Plus: Wenn ich über Fehler in meinem Skript spreche, wissen die Hörer, dass ich eines habe. Es entsteht also – wie oben schon mal thematisiert – kein falscher Eindruck bei den Zuhörenden.

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Hey @DerJuergen,

ich bin aktuell dabei, mein Tool SHARKPROMPTER um die Funktion von Manuskripten zu erweitern. Ich hatte das vor einiger Zeit mal als kurzes Video hier hochgeladen: https://twitter.com/achkarsten/status/1105568280322949121

Zu dem Zeitpunkt habe ich selbst nur stichpunktartige Notizen verwendet, mittlerweile schreibe ich aber auch mehr vor, sodass ich neben reinen Stichpunkten auch ganze Absätze erlaube, die dann eine entsprechende Präsentation kriegen. Nicht so, wie man einen Teleprompter vom Fernsehen her kennt, sondern frei scrollbar, aber mit einem gewissen Highlight. Das Feature von der abgelaufenen und der voraussichtlichen Zeit steht auch auf der Todo :slight_smile:.

Ich verwende auch ein Markdown-Format mit eigenen Erweiterungen (Etwa Markierungen von Sprechern oder “Events”, etwa das Intro, eine Mid-Roll oder MAZ). Die kann man sich auch via Pandoc (Das wird serverseitig integriert) aus vielen anderen Programmen (Office-Pakete etc.) umwandeln lassen.

Falls du also aktiv an dein Projekt gehst, könnten wir uns gerne mal dazu austauschen! Wenn sich zwei Leute die (etwa) gleichen Gedanken zu einem Thema machen, kann ja nur was cooles bei rumkommen :wink: .

Gruß Karsten

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Das ist mal sehr geil!
Ich hab keine Ahnung vom programmieren, mich würde sowas aber auf jeden Fall interessieren. Und zwar für Teams. So im Sinne von Adobe Connect, wo jeder zeitgleich ins “Pad” zugreifen kann und die Infos hat, bzw. auch im Vorfeld eintragen kann. Gern mit Links und Bildern. Somit wissen auch 5 Leute am Tisch, worum es geht, wo man ist und so weiter. Tolles Projekt!

Hey @achkarsten! Wow, das Haifisch-Tool sieht ja schon mal sehr extrem vielversprechend aus! Wir können uns gerne mal dazu austauschen, ich hab da so zwei, drei Funktionen im Kopf, die mir bei so etwas wichtig wären. Hätte kein Problem damit, meinen (sehr viel stümperhafteren) Ansatz wieder zu verwerfen und zusammen an so etwas zu arbeiten – auch wenn ich absolut kein Programmierer, sondern bestenfalls ein ambitionierte Hobbybastler mit begrenzten zeitlichen Ressourcen bin.

Scheinbar gibt es ja auch wirklich Menschen, die an so etwas Interesse hätten – finde auch @mynoxin s Pad-Idee extrem spannend!

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