Den Jetzt-Zustand der Anzahl der Erklärvideos auf YT gegenüber Podcast-Angeboten brauchen wir nicht zu diskutieren und können allein daraus das aktuelle Nutzungsverhalten gut erklären.
Jedoch ist es problematisch aus Vermutungen heraus das Potential der Podcasts unbeobachtet zu lassen. Noch obskurer wird das, wenn die Forschung zur Multimedialität in der Wissenschaftskommunikation das Offensichtliche feststellt, dass Videos ohne Ton schnell unverständlich werden, anstatt auch die Wirkung von Ton ohne Video zu untersuchen. Der gefilmte Vortrag wird übrigens auch als Audio-Podcast angeboten- ich zumindest hatte kein Problem dem offensichtlich visuellen Thema rein akustisch zu folgen.
Natürlich ist das Hinzufügen des visuellen Informationskanals grundsätzlich dem Informationstransport zuträglich- die resultierende Effektivität ist aber eine gänzlich andere Frage. Mein rein persönlicher Eindruck ist, dass die Beschränkung auf die Sprache für mich einen erheblichen Vorteil zum Wissenserwerb darstellt, da ich durch die Flexibilität viel mehr Zeit gewinne, und nicht gezwungen bin, zum Großteil unerhebliche Videoinformation unbeweglich am Rechner zu betrachten. Das mag für andere ganz anders aussehen, jedoch besteht definitiv die Möglichkeit, dass die akustische und rezipienten-bestimmte Vermittlung von Inhalten mindestens ebenbürtig sein kann, oder die Lernenden auch neue Lernmuster erproben sollten.
Und damit können wir uns der aus meiner Sicht eigentlich wichtigen Frage widmen, welchen Aufwand die Erstellung der Medien bedeutet- für die Macher und die Beteiligten: Am Ende müssen Aufwendungen an ihrer Effektivität gemessen werden. Im Aufwand bei der Erstellung liegen Größenordnungen zwischen dem Aufwand für “Video und Audio” gegenüber “Audio-only” bei gleichem Qualitätsstandard.
Da kann ich gerne in Kauf nehmen, dass die Audio-Produktionen womöglich (!) nicht bei allen die gleiche Lerneffektivität bewirken, wenn ich dabei- und das ist der springende Punkt- mit den jetzt vorhandenen Workflows mit viel weniger Kosten viel mehr Themen abdecken kann. Oder anders gesagt: Die gewünschte und nützliche Multimedialität wird es weiterhin nicht geben, wenn wir die hohen Anforderungen der Videoproduktion als Maßstab setzen, statt an geeigneter Stelle die Alternativen zu nutzen.
Letztlich ist unser Format nur aufgrund der niedrigen Aufwände möglich: Unsere Gesprächspartner wären bei weitem nicht so schnell bereit diese Gespräche zu führen, wenn sie gefilmt werden würden, und die gleiche Qualität (Licht, Kamera, Schnitt, …) könnten wir alleine überhaupt nicht erreichen. So erhalten wir Medien, die es mit Video überhaupt nicht geben würde.
Ich bin mir natürlich bewusst, dass wir hier über eine große Bandbreite der geplanten Nutzung sprechen: Viele unserer Folgen sind eher Wissenschaftskommunikation als Lehre, aber wir sehen die Nutzung in der Lehre ebenso als ein Ziel. Wir werden aber ganz sicher keine Formate erzeugen, die Schulstunden ersetzen können, es ist aber eine neue Art der Ergänzung, die im Mix die Qualität des Unterrichts verbessern kann. Hier möchte ich wieder auf das Gespräch mit Christian Spannagel verweisen, der diese Erkenntnis und seine Forschung dazu für Video(!)materialien entsprechend beschreibt.
Den Vermutungen möchte ich aber am Ende die anekdotischen Rückmeldungen dieses Wochenendes entgegenstellen:
- Ein Schüler und ein Vater erzählten mir von Ihrer Entdeckung des spannenden Mediums Podcast zur Information- mein Engagement kannten sie bis dahin nicht.
- Ein Doktorand in Mathematik fragt per Mail nach dem Kontakt zu einer Folge, da die Inhalte einer Folge ihm für seine Dissertation sehr helfen und er gerne Zugang zur Abschlussarbeit und der Absolventin hätte.
- Ein angefragtes Gespräch findet insbesondere deshalb statt, weil ein Kommilitone des Gesprächspartners zufälligerweise den anfragenden Podcast hört… =)
Auch wenn ich noch immer darauf warte, dass sich jemand für ein Mathestudium aufgrund unseres Engagements entscheidet (oder wenigstens eine iTunes-Rezension;), so ist das Feedback für sich ausgesprochen motivierend.
Letztlich brauchen wir aber verlässlichere Informationen und Daten, daher begrüße ich es natürlich sehr, wenn wir in Zukunft mehr Studien dazu erstellen und Modelle und den geeigneten medialen Mix für verschiedene Lehrsituationen ausprobieren können.