Passiv gekühlter Aufnahmerechner

Moin,

mich haben die Nebengeräusche meines PCs beim Aufnehmen immer gestört, aber ich hatte lange Zeit keine gute Lösung parat - jetzt wo ich zufrieden bin, habe ich da mal was zusammengeschrieben.

Audioaufnahmen stellen keine hohen Anforderungen an die Hardware - alles was der Rechner leisten muss ist die Aufnahmesoftware (Reaper/Ultraschall/Studiolink), Tools zur Kommunikation (Discord) und ein paar Browserfenster, wenn man mal neben dem Spiel kurz was recherchieren muss.

Seit Jahren läuft hier im Haus ein Raspberry Pi als Mediaserver, der locker die benötigte Rechenpower liefert, also war das mein erster Anlauf. Gehäuse

Das ganze ist ein Raspberry Pi 4 mit 8 GB (Die 4er Version löst frühere USB Timing Probleme)
Das Gehäuse ist ein Raspberry Pi 4 Nano Tower Case Rev.3 von Thingiverse
Die SSD ist das kleinste und billigste, was ich hier noch rumliegen hatte.
Gekühlt wird das ganze über einen Aluminium-Shield, der auf den Raspberry aufgesetzt wird
Die SSD selbst ist über einen Adapter an den USB3 Slot des Raspberry Pis angeschlossen.

So sieht das fertige Ergebnis aus

Die gute Nachricht - das Ergebnis läuft lautlos und mit genug Rechenleistung für einen gar nicht so kleinen Bürorechner.
Die schlechte Nachricht - unsere Kombination von Reaper/Ultraschall/Studiolink läuft darauf nicht. Die Kurzfassung - die Prozessorarchitektur ARM läuft zwar mit Reaper, aber die Mods, die wir brauchen, nicht. Dabei spielt es leider auch keine Rolle ob wir es mit Linux oder Windows probieren.

Okay, also brauche ich was in der Richtung Intel x86/AMD Prozessor… zum Glück meldete sich jemand aus dem Chaostreff, der da noch ein paar alte, passive Boxed PCs mit 14 Jahre alten Intel Atom N270 Prozessoren rumliegen hatte… die Dinger sind im wesentlichen schwere Aluminiumblöcke, mit etwas Elektronik eingebaut.

Long Story Short - ich habe es nicht geschafft dort ein modernes Betriebssystem auf eine SSD zu installieren. Mit 2 GB RAM waren die aber auch insgesamt etwas untermotorisiert und hätten vermutlich schon bei der Benutzung eines Browsers für CPU Artefakte in der Aufnahme gesorgt. Ungefähr zu der Zeit entdeckte ich auch dass die Mods der DAW auch eine 64 Bit Version der Software benötigen - damit waren die Kisten eh aus dem Rennen.

An dieser Stelle habe ich das Konzept eines passiven Aufnahmerechners im Grunde erstmal auf Eis gelegt… bis mich ein Freund auf dieses Video vom Linus Tech Tipps aufmerksam machte, wo demonstriert wird wie ein zeitgenössischer Rechner ohne bewegliche Lüfter gebaut wird.

Hmmh… passive CPU Lüfter, sachste?

Also ich weiss ja nicht wie es bei euch daheim aussieht, aber an alten PC Komponenten mangelt es bei mir nicht. Also hab ich nen alten Big Tower ausgegraben, ein altes DDR3 Motherboard (Intel DH67CL), und mal geguckt was es da so an Lüftern gibt und mit welchen CPUs die so klarkommen. Für 15 EUR einen Arctic Alpine 12 Passive Kühler besorgt (bis Wärmeverlustleistung 47 Watt geeignet), eine gebrauchte i5-3470T CPU (Wärmeverlustleistung 35 Watt).
Bisschen RAM, kleine SSD dazu… und zusammengeschraubt.

Aus Sicherheitsgründen, und weil es mir an Erfahrung mit passiv gekühlten Systemen mangelt, habe ich vorsichtshalber auch zwei Gehäuselüfter geholt und ein Frontpaneel, mit denen man die Lüfter runterregeln kann. Häufig wurde im Netz bei passiven Lüftern betont dass man im Gehäuse aber noch auf einen geeigneten Luftstrom zu achten habe - also wollte ich mal lieber auf Nummer sicher gehen.

Und so sieht das Ergebnis nun aus.

Der Tower ist leider nicht vollständig lautlos geworden.
Zum einen habe ich auf ein fanless Netzteil verzichtet - in erster Linie weil die Modelle unangenehm teuer waren - und zum anderen stellt sich heraus dass die Gehäuselüfter vorne zwar runtergeregelt werden können, aber nicht bis zum vollständigen Stillstand. Sie drehen sich also, aber bis zur praktischen Unhörbarkeit langsam.

Das Ergebnis ist beeindruckend - obwohl die Komponenten allesamt so 10-12 Jahre alt sind, läuft auf dem Rechner alles flüssig, was ich dort laufen haben möchte - bei einer Innenraumtemperatur von 27° lag die Wärmeentwicklung im Tower bei ca. 30-40° im Betrieb. Wenn ich die CPU eine halbe Stunde lang stressteste, habe ich einmal kurz die 67° erreicht, was eine vollkommen vertretbare Kühlleistung ist.

Alles in allem habe ich vielleicht 140 EUR in die Komponenten investiert - und lediglich Tower und Netzteil lagen noch herum.

Also für den Fall dass ihr auch mit den Nebengeräuschen eurer Aufnahme unzufrieden seid - vielleicht hat euch meine Zusammenfassung ja auf die Idee gebracht dass da einiges mit passiver Kühlung machbar ist.

Ein gebrauchter Dell Wyse 5070 ThinClient (in der Bucht ab 150,- zzgl RAM+SSD-Aufrüstung).
voll-passive Kühlung (muss dazu aber aufrecht stehen), vergleichsweise schneller 4core Intel Celeron J4105 („schnell“ für Celeron, aber sehr ok für anything Büro und Audio und Videokonferenz), max. 32GB RAM, M.2-SATA-SSD (Achtung: SATA! Nicht NVMe!), viele USB3-Anschlüsse, 2(!) DisplayPorts

Thx für die ausführlichen Eindrücke, insbesondere was nicht funktionierte ist sehr spannend.
Ich selber störe mich auch sehr an pc-geräuschen. Daher in kürze nochmal meine erfahrungen:

Das von dir verlinkte ltt video zeigt schon einen zentralen trick, nämlich die seiten zu schließen und das gehäuse nach oben zu öffnen. Dann wird pber den kamineffekt gekühlt. Die alten g3 imacs wurden auch so gekühlt.
Leider kommt von oben auch sehr viel staub in den rechner.

Die passiven netzteile sind oft für serverracks, diese haben vorne und hinten lüfterarrays, sodass die bauteile keine eigene lüftung brauchen. Haben die dinger nicht genug luftstrom und werden zu warm verschleissen sie schneller und fangen an zu fiepen. Sehr unangenehm.

Es gibt netzteile deren lüfter sich abschaltet wenn es ausreichend kühl ist. Baut man es ins gehäuse unten ein bleibt es in der regel kühl, da ein aufnahmerechner nicht viel last darauf legt. Alte gehäuse haben das netzteil oft oben verbaut, dann dient der lüfter als gehäuselüfter, saugt aber halt auch warme luft an, wodurch das netzteil wärmer wird.

Wirklich leise wird es mit einer passiv gekühlten gpu und cpu. Dazu 2 gehäuselüfter, einen vorne unten, einen hinten oben im case. Idealerweise 140mm, geringe drehzahl und ordentlich vom gehäuse entkoppelt. Be quiet hat hier unhörbar leise modelle.

Lüfter entkoppelt geht sehr einfach mit uhu patafix-kleber. Der hält gut und ist auch entfernbar. Weiterer vorteil ist das man flexibler ist was die positionierung angeht. Bei meinem gehäuse war die halterung für den frontlüfter derart dünn, das es immer geschwungen hat. Den lüfter einfach auf den massiven ssd-schacht darunter zu kleben löste das problem

Die cpu bekommt man nochmal kühler wenn turbo-boost im uefi ausgeknipst wird. Die leistung sollte auch ohne ausreichen, die hitzeeinsparung ist enorm.

Der genannte Dell-ThinClient hat ein lautloses „Notebook“-Netzteil und zieht eh’ nur 8-15W. Da reicht dann auch die eingebaute passiv-konvektive Kühlung.