Experiment: binauraler Podcast

Liebe Sendegate Community!

Wie schon im Vorstellungsthread erwähnt bin ich momentan an meinem Bachelorprojekt dran.
Als Soundstudentin muss ich natürlich auch ein kreatives Projekt mit einem Schwerpunkt auf Sound konzipieren. Dafür möchte ich ein binauraler Podcast machen.

Noch nie von binaural gehört? Kein Problem
Binaural ist im Grunde genommen eine Nachstellung deines natürlichen Höreindrucks. Kommt ein Auto von vorne und fährt an dir vorbei, kann dein Ohr diese Schallquelle genau lokalisieren (Danke Evolution, Stichwort: head related transfer function). Binaural kann diese Richtungslokalisation gut nachstellen. Viele sagen auch dazu 3D über Kopfhörer. Hier ein paar Videos zum Einstieg (Kopfhörer an, am besten over-ear)


The Virtual Barber Shop


The Verge mit 3Dio “Hear new York City in 3D”

Es gibt verschiedene Wege binaural aufzunehmen wie z.B. mit einem Kunstkopf (KU 100 von Neumann oder 3Dio) - das ist quasi ein Dummy mit zwei Mikrofonen im linken und rechtem Ohr.
Oder mit speziellen In-Ear Kopfhörer, die gleichzeitig Mikrofone sind und deine Umgebung aufzeichnen können (Ambeo Smart Headset von Sennheiser, OKM II von Soundman, CS-10 EM von Roland)
Beide funktionieren - der Kunstkopf am besten, kostet aber auch rund 8000 Euro.
Mittlerweile gibt es aber auch Plugins für deine DAW, die sowas kodieren können. Man kann auch das VR Mikro Ambeo von Sennheiser nehmen und in der DAW zu binaural kodieren. Also eine gute Auswahl an Möglichkeiten gibt es heutzutage.

Ich dachte mir, nachdem ich diverse Podcast mir angehört habe, in denen Menschen währenddessen was getan haben wie spazieren gehen, dass ein binauraler Podcast doch vielleicht eine coole Idee sein könnte. Dafür muss man im Prinzip nicht tech-savy sein, lediglich müsste man ein wenig Geld in die Hand nehmen (die o.g. In Ear Kopfhörer kosten zwischen 100-300 Euro) und das an ein Zoom H1 anschließen, in die Ohren rein und ab gehts. Mit den Sennheiser Ambeo Smart kann man sogar über das Handy aufnehmen, vorerst aber leider nur über Iphones.

Ich werde mit einer Fokusgruppe darüber sprechen, ob sie als Consumer, ein binauraler Podcast interessanter fänden als ein Stereopodcast (wobei diese Frage noch offen ist ob ich sie wirklich so stellen will…). Widerum würde ich euch gerne fragen ob ihr, als Podcastmacher, auch -rein thereotisch - davon überzeugt wären und welche Probleme ihr sehen würdet, würde man es vermarkten wollen. Einfach mal generell in die Runde gefragt, welche Meinungen habt ihr? Was ist euer erster Gedanke dazu?

Man kann sich im Übrigen auch überlegen ob man auch ein Laberpodcast binaural gestalten könnte aber um ehrlich zu sein sehe ich darin nicht wirklich ein Zweck. Binaural kommt für mich erst richtig zur Geltung wenn man sich in einer Geräuschkulisse befindet und bewegt.

Liebe Grüße

Lilly

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Im Bereich des Mobilitätstrainings aber auch in der eindrucksvollen Vermittlung der Umgebung (z.B. für sowas wie beim Schöne Ecken Podcast oder Atmos der Welt) sind binaurale Aufnahmen sehr sinnvoll, um besser die umgebene Realität abzubilden. Die Weiterentwicklung von binauralen Aufnahmen geht in Richtung Ambisonics (siehe auch Raumklang im Terrain Podcast), denn sie ermöglicht im Nachhinein auch die Hörausrichtung zu ändern und wird u.A. auch von der YouTube-Wiedergabe unterstützt; das wäre eigentlich auch für Podcastclients interessant, nur gibt es bisher kaum Headsets mit Inertialmesssystem.

Aufgrund anatomischer Unterschiede wird aber für jeden je nach verwendetem Aufnahmesetup oder verwendeter HRTF-Funktion der räumliche Eindruck sehr unterschiedlich sein. Insbesondere hat die binaurale Wiedergabe aus nur zweikanalig aufgenommenem Material (also nicht ambisonisch) das gleiche Problem wie starre 3D-Filme: Die eigene Ausrichtung wird nicht berücksichtigt, es geht dadurch viel Immersion verloren und kann unangenehm werden.

Auch wenn es einige technische Hürden gibt, so ist das Thema auf jeden Fall echt spannend!

Ich finde binaurale Aufnahmen sehr spannend. Würde ich das in Podcasts haben wollen? Das kommt drauf an. Viele hier, mich eingeschlossen, setzen sich für mehr Mono in Podcasts ein, weil Stereo nerven kann, wenn es schlecht abgemischt ist (die beiden Spreche*innen sind zu weit auseinander und es spaltet einem den Schädel) oder wenn man nur mit einem Ohrhörer hört und der Client keinen Downmix zu Mono beherrscht. Dementsprechend sprechen ein paar praktische Beweggründe gegen binaurale Podcasts.

Auf der anderen Seite gibt es produzierte Podcasts im Sinne von Reportagen und anderen aufwendigen Stücken. Hier würde ich einen großen Vorteil von binauralen Aufnahmen, zumindest in Teilen, sehen. Sie erfordern aber viel Produktionsaufwand. Gerade wenn man die Earplugs zur Aufnahme nutzt dreht eine einfache Kopfdrehung das gesamte Hörfeld und würde mich als Hörer komplett verwirren, wenn das ständig passiert.

Glücklicherweise haben binaurale Stücke nicht das Problem von 360° Videos: man kann nicht so leicht in die falsche Richtung gucken und somit Dinge verpassen. Deswegen glaube ich eher an binaurales Audio für die Zukunft als an 360° Video.

Für mich bleibt: Coole Technik, und in den richtigen Händen mit Sicherheit auch extrem nützlich, als Breitentechnik wohl eher nicht so geeignet. Und Laberpodcasts werden wohl nicht so bald binaural produziert, behaupte ich mal.

Da lohnt sich übrigens ein sehr alter, trotzdem zeitlos schöner Podcast da draußen: https://www.ohrenblicke.de/
Binaurales Audio in Podcasts ist nämlich längst nicht so neu wie man meinen möchte :slight_smile:

Und wer das mal in richtig hochwertig möchte, der kann sich mal das Hörspiel “Abschied” anhören, das Marcus Richter vor Jahren produzierte und hier beschrieben hat.

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Klar, die klassische Kunstkopfaufnahme war früher sehr populär. Hatte gerade beim Laufen ein altes Kriminalhörspiel gehört- das war schon gruselig, wie da mir die Atmosphäre in den Kopf gespült wurde. Die ASMR-Szene spielt das Prinzip aktuell ja auch gerade durch.

Daher ging ich auf die ambisonische Aufnahme ein, da man hier mit einer möglichst individualisierten HRTF und ausgemessenen Treibern mit aktueller Technik quasi eine binaurale VR herstellen kann. Zwar ist Ambisonics auch schon älter, aber der Einsatz in der VR fängt gerade richtig an.

Im Projekt Terrain zur Unterstützung blinder Menschen habe ich ein System zur Erzeugung künstlicher Umgebungsgeräusche entwickelt, die mittels HRTF binaural den Nutzenden im Sinne einer akustischen AR mehr über ihre Umgebung mitteilen kann. Ich hoffe es gibt bald mehr zu erzählen, wie gut das am Ende funktioniert. Ich nutze die hervorragenden SADIE HRTF-Datensätze aus York, die meines Wissens jetzt auch von Google für deren akustische VR benutzt wird.

In OSPAC habe ich mit ersten Ansätzen der Umwandlung von Multikanal-Aufnahmen in binaurale Mixes experimentiert, habe das aber zunächst verworfen, da die Signale viel schlechter komprimiert werden können- und jetzt plötzlich die Daten in doppelter Datenmenge auszuliefern, war mir das Experiment nicht wert.

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Mit binauralen Aufnahmen habe ich für den Einsatz in Podcasts in der Vergangenheit mal experimentiert. Das hat nicht so funktioniert, wie geplant. In der Praxis ist das dann doch immer etwas komplizierter und es fallen einem Dinge auf, die zuvor nicht auf dem Plan standen. Deshalb möchte ich meine Erfahrungen hier mit euch teilen.

Für die Aufnahmen benutze ich ein Roland CS-10EM. Ursprünglich habe ich das mal für den Einsatz mit einer Videokamera angeschafft um die HD-Aufnahmen mit 3D-Audio zu bereichern (Das hört sich dann so an: https://www.youtube.com/watch?v=gm6iNoKs2RQ).

Ich las in diesem Forum und auf Twitter, dass einige HörerInnen eher genervt auf Podcasts in Stereo reagieren. Andererseits fand ich den Gedanken, binaurales Audio in Podcasts zu nutzen sehr interessant und entschloss mich zu einem Experiment: Binaurales stereo für die Umgebungsgeräusche mit einer zusätzlichen Monospur für die Sprache. Die Monospur erfüllt dann ungefähr den Zweck des Centerlautsprechers bei Surroundsound. Durch ducking sollte die Stereospur leiser werden, wenn auf dem anderen Kanal gesprochen wird. So können alle, die kein Stereo-Audio mögen, den Dialogen bequem folgen. In den Sprechpausen darf dann ein wenig Atmosphäre rein. So weit die Theorie.

Das Setup sah so aus: Ich nahm das binaurale Stereosignal mit dem erwähnten Mikrofon und einem Roland R-05 Audiorecorder auf. Ein Kollege nahm mit einem Sennheiser E825 Handmikrofon und einem Zoom H4 die Dialoge auf. Anschließend wurden die beiden Spuren Garageband synchronisiert. Die Dialogspur wurde durch Kompressor und Limiter geschickt, die Stereospur wurde nur geringfügig bearbeitet.

Das Endergebnis war nicht gut. Wir haben das Experiment nach der ersten, so produzierten Folge wieder aufgegeben. Es hätte eigentlich ein schöner Podcast werden können. Wir waren auf einem Winzerhof. Es war eine ländliche Gegend. In der Vorbereitung war die Vorstellung: gelegentlich etwas Vogelgezwitscher, etwas Wind und der typische Sound eines Gewölbekellers. In Wahrheit war vergleichsweise viel Verkehr von der Straße zu hören. In den ersten 10 Minuten ist ein Mitarbeiter ständig mit einem Gabelstapler auf dem Hof herumgefahren. Obwohl diese Geräusche aus vergleichsweise weiter Entfernung kamen, waren sie extrem deutlich in der Aufnahme zu hören. Kleiner Trost: eine Passage, die im Weinkeller aufgehommen wurde, klang wirklich gut.

Diese Produktion war trotzdem wichtig für den Lernprozess. In Zukunft werde ich trotzdem binaurales Audio wieder einsetzen. Allerdings in einer anderen Form. Für einen Reisepodcast, der sich zur Zeit noch in Vorbereitung befindet habe ich Geräuschkulissen auf Vorrat aufgenommen. Der Markt in Marrakech, Verkehr in Kairo, Eine Dachterrasse in Essaouira, Meeresrauschen, Fahrgeräusche eines VW T3 usw. Damit werden später vergleichsweise dezent, im Studio eingesprochene Texte hinterlegt.

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Wow, vielen Dank für deinen Beitrag! Hat das technisch bei dir funktioniert, oder waren es wirklich nur die unerwünschten Nebengeräusche auf dem Hof?
Geräuschkulissen sind binaural toll, finde ich. Ich werde dann auch im Studio denn Text einsprechen.
Ich mache gerade einen ähnlichen Prozess durch :smiley: Hab mich jetzt durchprobiert. Ich habe von der Hochschule aus Zugriff auf mehr Equipment, was ganz gut ist.
Ich hatte in meinem ersten Anlauf jemand da, der angelt, und jemand mit dem AMBEO Vr Mic auf der Angel. Fazit: Je nachdem wo du rumläufst sind nuuuur Schrittgeräusche zu hören. Lässt man das AMBEO statisch, dann ist das super.

Ich hab jetzt ein Paar Sennheiser Ambeo Smart hier und bin immernoch am überlegen wie man das lösen könnte. Eine Monospur für Sprache mit Lavalier und Richtmikro abnehmen ist momentan eine Überlegung. Oder eine dritte Person trägt die Kopfhörer, und mein Interviewpartner und ich unterhalten uns. Ich werde auf jeden Fall berichten wie es läuft.

Kunstkopf finde ich noch am einfachsten, das müsste ich meiner Meinung nach dann irgendwo in meiner Thesis begründen, ob es so lukrativ ist 8000 Euro zu investieren :smiley:

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Technisch funktioniert hat es. Der Podcast wurde auch veröffentlicht. Mit Nebengeräuschen. :slight_smile:

Was deine Beobachtungen mit dem Ambeo betrifft: Das entspricht auch ungefähr meinen Erfahrungen, die ich mit dem Roland CS-10EM gemacht habe. Solange die Mikrofone an einem Ort bleiben ist es gut. Sobald das Mikrofonpaar bewegt wird, stören Geh- bzw. Fahrtwind und andere Bewegungsgeräusche. Wobei mir das CS-10EM ohnehin übermäßig windempfindlich vorkommt. Im Video hast du vielleicht bemerkt, dass ich Kamera und Mikrofone während der Aunfahmen nicht bewege.

Deine Idee mit dem Richtmikrofon finde ich sehr gut. Inzwischen habe ich mir für mobile Interviews auch ein Røde NTG-2 anstelle des oben beschriebenen Sennheiser E825 angeschafft. Das mit den Lavaliermikrofonen ist auch denkbar. Die haben allerdings in der Regel Kugelcharakteristik. Abhängig davon, wie dicht die sprechenden Personen beieinanderstehen, wirst du relativ viel mit Übersprechen zu tun bekommen. Kugelcharakteristik bedeutet ja auch, dass du viele Nebengeräusche mitnimmst, die du eigentlich ja schon mit dem Ambeo in besserer Qualität aufnimmst. Mit dem Richtmikrofon hast du bessere Kontrolle und ein “saubereres” Signal bei den Dialogen.

Ich bin gespannt auf das Fertige Ergebnis deiner Arbeit. Halte uns hier auf dem laufenden. Und viel Glück dabei, die €8000 bewilligt zu bekommen!

Die Hobbythek, damals noch unter Jean Pütz und Wolfgang Back, haben aus einem Styropor-Kopf (Bestelgeschäft, Modegeschäft, Friseurbedarf) einen Kunstkopf gebastelt (Ohrmuscheln dran geklebt und Mikros rein gesteckt). [Quelle: https://www.booklooker.de/Bücher/Back-Wolfgang+Das-Hobbythek-Buch-1-von-Wolfgang-Back-und-Jean-Pütz-unter-Mitarbeit-von-Heinz/id/A01VCxjI01ZZZ]

Ich habe es damals nachgebaut und die Effekte waren Atemberaubend.

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Da gibt es einige Modelle auf Thingiverse: https://www.thingiverse.com/search?q=binaural

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Für Alle, die sich für binaurale Klangaufzeichnung interessieren: In der Howsound Folge vom 15. Mai geht es um “Recording Binaurally”. Mit sehr guten Klangbeispielen. Den Podcast kann ich übrigens generell empfehlen. Howsound ist ein englischsprachiger Podcast, der sich besonders an Radio- und andere Podcastmenschen richtet.

Deeplink: https://transom.org/2018/recording-binaurally/

iTunes: https://itunes.apple.com/de/podcast/howsound/id453044527?l=en&mt=2&i=1000411594473

Ich hab da auch noch was gefunden. Sorry für die Qualität. (Ach ja, Quellenangabe: Hobbythek Buch 1)

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