Erleichtern Audiotranskripte Hate-Speech?

Zugegeben etwas provokant gefragt, aber zur Überlegung dahinter würde mich Eure Meinung interessieren.

Der Vortrag von Barbara Streidl auf der Subscribe8 hat mich sehr beeindruckt. Vor allem der Part, in dem sie – nach all den Hater-Kommentaren in diversen Blogs – ihrer Freude darüber Ausdruck verleiht, dass die Kommentarkultur in der Podcast-Community so frei von verletztender Kritik ist. Ein nachvollziehbarer Grund dafür könnte sein: Man muss sich mit dem gesprochenen Wort auseinandersetzen, der Betonung, der Argumentation. Keine Verkürzung auf Schlagzeilen, keine Reduktion auf Buzzwords. Man muss zuhören, bevor man sich äußern kann.
Parallel dazu denke ich noch über die These von Moritz Klenk nach, dass das Medium Podcast per se Hate-Speech keinen Lebensraum gibt.

Gleichzeitig arbeiten wir an der faszinierenden Möglichkeit, auf einfache Art und Weise Transkripts unserer Aufnahmen zu erstellen mit den Vorteilen einer bequemen Durchsuchbarkeit und Auffindbarkeit des Gesagten.

Was ich mich während Barbaras These still (und laut) gefragt habe: Öffnen wir mit dem Einsatz von Transkripten die Büchse der Pandora und erleichtern Hate-Speech unter unseren Folgen? Wird es einfacher, auf vermeintliche Schlagworte mit bösen Kommentaren zu reagieren? Tragen wir die YouTube-Kommentare damit in die Podcastwelt?

Welche Menachismen und Kontrollmöglichkeiten brauchen wir für uns, um Nutzen aus Transkripten zu ziehen und wie verhindern wir den unreflektierten Konsum des Gesagten, wenn Stimme und Betonung fehlen?

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Es gibt ja durchaus eine ganze Reihe von podcasts mit transkripts, hat da schon jemand eine Zunahme an Hate Speech beobachtet? Zumindest meine Projekte sind bisher trotz Transkripts Hate Speech frei…

Ich höre den Accidental Tech Podcast mit Marco Arment. Er hat früher mehr gebloggt und für seine nicht immer kontroversenfreie Meinung das eine oder andere Mal richtig kräftig Online-Gegenwind bekommen. Deshalb bloggt er fast nicht mehr. Im Podcast vertritt er seine Punkte aber weiterhin vehement und er sagt selber, dass er da noch keinen echten Shitstorm bekommen hat, sondern wenn überhaupt, dann Diskussionen.

Meine schnellen Gedanken dazu:

  1. schriftliche Inhalte lassen sich deutlich leichter finden als gesprochene, deshalb müssten Transkripte die Trollquote eigentlich erhöhen

  2. draufhauen und Trollen ist mit Kommentarfunktion einfacher als ohne, d.h. wenn das Transkript nicht unmittelbar dort steht, wo sich die Episode findet, könnte man so evtl. den Ärger etwas eindämmen

  3. Transcripts gesprochener Sprache sind aber immer noch sehr anders als gefeilte Blog-Artikel, lesen sich nicht so glatt und sind anders formuliert. Darun glaube ich, dass selbst mit Transcript die Troll-Welle nicht so laut schwappen wird, wie im klassischen Blog.

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Dass es wenig Shitstorms für Podcasts gibt könnte auch daran liegen wie sie konsumiert werden.

Meist unterwegs oder bei der Arbeit: Kein Kommentar im Affekt möglich. Zudem haben die Podcastclients immer noch keine Kommentarfunktion. Das heißt die Hürde bis zum Kommentar ist hoch.

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Das halte ich für den Hauptgrund. Bis jemand an die Tastatur kommt ist der Ärger halt doch meist schon geflogen :wink:

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Danke für die oben dargelegten Beispiele & Argumente. IMHO sollten die Transkripte darum eher maschinen- als menschenlesbar angeboten werden. Bspw. Zitate nicht mit Deeplinks aufs Transkript, sondern auf die Audiostelle. Die Hürde zum Transkriptelesen aber auch zum Kommentieren sollte nicht zu tief abgesenkt werden.

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Mir scheint es eher thematisch gebunden zu sein bzw. wie @chrismarquardt schon sagte meinungsgebunden.
Zum Beispiel hat @tinowa Shownotes, die sehr nah am Audio sind. Bis dato ist mir nicht aufgefallen, dass da viel Hate-Speech passiert. Anders ist es beim Lila Podcast. Thema, wie Meinungen dort polarisieren anscheinend bei einigen, da würde es mich nicht wundern, wenn sie das erleben, was Barbara über die mädchenmannschaft.net erzählt hat, wenn sie Transkripte einfügen würden.

@katrinleinweber “eher maschinen- als menschenlesbar angeboten werden” wie das? Kann dir nicht ganz folgen.

Security by obscurity. :wink:

Ich würde sagen, es ist einfach nicht klar, ob die grobe Analyse: “Es liegt am Text”, der die Frage zu Grunde liegt, wirklich zutrifft. Was bei Blogs, die von Nachstellungen betroffen sind, passiert, hat nicht unbedingt etwas mit der Rezeption des konkreten Inhalts zu tun. Sie werden einfach als Anlaufstelle verstanden und geringste Reizworte, die Überschrift oder einzelnen Stichworte oder Passagen werden als Aufhänger genutzt wenn es überhaupt eines benötigt. Das könnte bei Podcasts im Prinzip genauso passieren.

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Ich glaub das liegt auch am Thema, wenn jmd. auf Krawall gebürstet ist, schläft er bei mir beim Zuhören wahrscheinlich einfach ein. Und die Schlagworte orientieren sich ja an dem Audio. :smirk:

Aber zum Ausgangsthema: In einer meiner nächsten Episoden wird es ein paar Schlagworte nicht als Shownotes geben, da mir tatsächlich die Gefahr zu hoch ist, dass das gefunden werden könnte. Das bleibt dann im geschützten Audio.

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In solchen Fällen wäre mein Impuls auch eher, die Transkripte wohlüberlegt und -dosiert einzusetzen. Nicht, um die eigene Meinung zu verstecken, sondern um sie richtig zu transportieren – also über den Podcast.

Deine Gedanken sind nicht nur schnell, sondern auch gut. Augenmaß und Sorgfalt halte ich für das richtige und selbstbewusste Herangehen an die Sache.

Deine Projekte sind einfach so wundervoll, dass niemand auf die Idee kommen könnte, etwas schlechtes darüber sagen zu wollen!

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Wenn man Podcaster*innen mit einem Thread zu Hate-Speech konfrontiert, kommt unglaublich viel gegenseitige Wertschätzung bei raus. Sagt vll. schon alles aus… <3

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[quote=“funkenstrahlen, post:4, topic:4144, full:true”]Dass es wenig Shitstorms für Podcasts gibt könnte auch daran liegen wie sie konsumiert werden.

Meist unterwegs oder bei der Arbeit: Kein Kommentar im Affekt möglich. Zudem haben die Podcastclients immer noch keine Kommentarfunktion. Das heißt die Hürde bis zum Kommentar ist hoch.[/quote]

Wo ich gerade durch Tims Subscribe-Vortrag “Das Podlove-Universum” durchskippe, dieser Analyse folgend müsste man sich vielleicht eher über Fortschritte bei der Verbesserung des Kommentierens in jeder Hörsituation Sorgen machen. Im letzten Viertel formuliert Tim genau das als Ziel. Zitat: “dann kommt so diese Stelle, wo was Falsches im Internet gesagt wird”. Ohoh. :fearful:

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