Arbeitszeit von Podcast : Radio ist bei mir 1 : 20

Ich habe grad in den letzten Tagen eine Zahl im Kopf ausgebrütet, die ich mit Euch teilen möchte:

Die Arbeitszeit an einem Podcast verhält sich bei mir zur Arbeitszeit zu einer Radiosendung wie 1 : 20. Das heißt, ich arbeite an einer Stunde Radiosendung 20 mal länger als an einer Stunde Podcast.

Das heißt für mich andersherum, dass ich viel mehr Podcast produzieren kann, als Radio. Ich nehme dann auch die Inhalte von Podcasts zunehmend als Material für die Radiosendung, damit ich das kombinieren und auf beiden Seiten Vorteile rauswerfen kann.

Unbedingt muss ich dazusagen, dass deswegen Radio nicht besser ist, weil mehr Zeit drinnen steckt. Man muss sich nur gut überlegen, wie diese Welten miteinander verbunden sind, und wie man sie selbst verbindet.

Dies auch gesagt, anlässlich des 4000 Hertz Projekts, das sehr “radiolike” klingt und damit auch sehr viel enger an die Frage des Geldverdienens verbunden ist, als ein “typischer neuer Podcast”.

Habt ihr Erfahrungen, wie ihr Radio und Podcast verbindet ?

Wo steckt denn der Zeitunterschied?
Ist es das Skript, der Aufwand der Nachbearbeitung, das Konzept, der Abstimmungsbedarf?
Cheers! //D

Vermutlich gibt es unterschiedliche Methoden/Typen/Sendungen, aber das sind bei mir die Faktoren, die zur Arbeitszeit einer Radiosendung beitragen:

  1. Pitchen/Anbieten, Redaktionssitzung, Thema aushandeln
  2. Anzahl an Interviewpartnern, die man seriell abarbeiten muss, Geräusche aufnehmen
  3. Bearbeitungszeit am Audiomaterial steigt gefühlt exponentiell mit der Anzahl an aufgenommenem Rohmaterial
  4. Absprechen mit der Redaktion, Aushandeln von Titeln, Untertiteln, Schreiben von Pressetexten
  5. Transkribieren des Rohmaterials
  6. Zusammensetzen des Manuskriptes und Lesen von Hintergrundliteratur
  7. Vorbereiten der Zuspiel-Originaltöne (80 Schnitte auf 5 Minuten können schon vorkommen)
  8. Gemeinsam mit Redaktion Manuskript durchgehen, Korrekturen
  9. Aufnahme des eigenen Textes im Studio
  10. Nachbearbeitung des gemischten Endmaterials, Lücken schneiden
  11. Bereitstellen
  12. Interviewpartner verständigen
  13. Honorarnote unterschreiben ;=)
  14. Sendung hören, freuen

Beim Podcast ist es bei mir so:

  1. Gast identifizieren, nachdenken, nachlesen
  2. Gespräch führen, Episodenbild machen
  3. Noch einmal durchhören, Kapitelmarken setzen, allenfalls ein Schnitt
  4. Während alles auf Auphonic rauflädt, Metatexte im Wordpress schreiben
  5. Wordpress Publish, Community verständigen: Twitter, Facebook eventuell
  6. Meistens: das Gespräch am iPod noch einmal am nächsten Tag anhören und freuen
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Ergo: Wir reden von zwei völlig verschiedenen Produkten, auch wenn zufällig beides Audio ist :wink:
Ich denke mal, die Qualität mancher Podcast Produktionen würde steigen, wenn einzelne der Prozesse, die Radio einhält angemessen adaptiert würden. Andererseits ist es sicher ein großer Flexibilitätsgewinn, dass man Podcasts eben selbstverantwortlich produziert, also sehr schnell und pragmatisch Entscheidungen treffen kann…

Wie lässt es sich verbinden? Etwa indem man Ergänzungen schafft. Ich kann mir z.B. vorstellen, dass es interessant wäre zu einem 7 Minuten Radiofeature eine 1.5h Diskussionsrunde als Podcast zu hören etc…

//D

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Da aber habe ich die Frage, warum sollte ich das 7 Minuten Radiofeature hören, wenn die 1,5 Stunden Diskussion das umfassendere Bild bringen? Ich kenn wen, der liest keine Teaser-Texte in Zeitungen (der fettgedruckte Absatz zu Beginn) - er liest gleich die ganze Geschichte. Ich hab’ das dann auch probiert, und es stimmt, es macht viel mehr Spaß, gleich die Geschichte zu lesen, und nicht mit der Kurzfassung rumzumuffeln - wenn man nach dem Titel weiß, dass einem das Thema interessiert.

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Sehr schön das mal so gegenüber gestellt zu bekommen: danke dafür!

Es geht um die Ergänzung, nicht darum das gleiche in länger zu liefern.
Ein Feature erzählt vielleicht eine Geschichte, ist eine Audiocollage, die evtl. auch aus ästhetischen Gründen gehört wird… Eine dazu passende Diskussion könnte ein Kommentar, zusätzliche Details, etc. sein.

Ich finde, beides passt zusammen. So wie man ein Buch lesen kann, es gut finden und aus völlig anderen Gründen dann Spaß an der Verfilmung haben kann :wink: Eine andere schöne Analogie wäre der abendfüllende Kinofilm und die Extras, die man sich bei Interesse anschauen kann. Die sind vermutlich auch wesentlich schneller produziert als das “Hauptwerk” :wink:

Aber wie gesagt: Das funktioniert nur wenn man ergänzende Inhalte schafft und es war auch nur als Vorschlag für Deine Frage wie man Radio und Podcast zusammen bringen kann.

//D

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Nein nein, meine eigene Ablehnung gegen Ergänzungen war auch gar nicht gegen deinen Vorschlag für diese Ergänzungen gemeint. Das sind eh genau die Fragen oder Möglichkeiten, um die es mir geht. Danke für diese “Brücke” :=) Die halten wir mal fest.

Ich finde, das Wort “kann” deutet bei deiner Verbindung an, dass es eine optionale Verbindung ist. Man “kann” sich das ganze Bild geben, in dem Sinne, wie du es beschreibst.

Meine nächste Frage wäre nach notwendigen Brücken, dort, wo es Verbindungen geben muss oder wo sie eigentlich notwendig wären.

Ganz ehrlich, vertraue ich dem 7 min Radiofeature genau wegen des beschriebenen journalistischen Qualitätssicherungsprozesses.
Beim Podcast, der oft sogar völlig unabsichtlich, jede Menge Fehlerpotential enthält, Versprecher - unvollendete Gedankengänge …, vertraue ich den Quellen und meiner eigenen Nachrecherche.

Die Frage hab ich mir übrigens gestern gerade gestellt: Wie macht man inhaltliche Fehler in einem Podcast, direkt im Audio kenntlich - ich persönlich würde mit akustischem Marker konsequent den Korrekturkommentar dazwischen schneiden.
Was sagt ihr?
(Ich schieb die Frage in einen extra Treat.)

VG Iris

Ich habe es auch einfach “reingeschnitten” war ja auch ganz lustig :wink:

//D

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Haha, ja das ist unterhaltsam und Lustig und Richtig :slightly_smiling:
Die Lösung gefällt mir sehr.

PS: Ein bisschen spucki, das das diskussionsauslösende Momentum bei mir ein Blogpost auch zu Primzahlen und dem Sieb des Eratosthenes ist: http://expeditionwissenschaft.blogspot.de/2013/07/aus-aktuellem-anlass-kleine-reihe.html

Ich habe aber auch schon kleinere Fehler schlicht editiert. Ich kehre im Normalfall nichts unter den Teppich, aber wenn ich Fehler beheben kann ohne den Sinn der Episode zu entstellen, dann tue ich den später kommenden Hörern einen Gefallen indem ich ihn entferne…

:slight_smile:

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Interessanterweise sind aber die Redaktionsqualitätsprozesse nicht unbedingt geeignet, um Fehler zu finden. Eine systematische Cross-Check Schleife ist bei mir nicht dabei, obwohl es gut wäre (grobe, allgemeinverständliche Fehler fallen natürlich vorher auf: Redakteur schaut mein Manuskript an, bei der Aufnahme hört ein Techniker mit, die Sendung wird vor Ausstrahlung vom Producer vollständig durchgehört, in Summe also 4 Personen).

Das wesentliche am Redaktionsqualitätsprozess ist aber meines Erachtens das ständige Streiten, was alles nicht gesendet wird. Und die Diskussion darüber, ob das Format getroffen wird, ob es auch formal dazu passt, bzw. wo man bewusste Abweichungen argumentieren kann.

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