Vorwürfe gegen Künstler - Verantwortung für Kulturpodcasts?

Durch meinen Kultur-Podcast kunst & horst, treibt mich das Thema “Die Kunst vom Künstler trennen?” vielleicht noch mehr um als andere Menschen. Seit der MeToo Debatte ist das Thema quasi in (fast) allen Kontexten angekommen. So auch in der bildenden und darstellenden Kunst.
Doch um die Frage soll es nicht gehen, sie gehört hier nicht hin und ist ohnehin niemals abschließend und richtig zu beantworten.

Mich interessiert viel mehr, wie ihr als Kulturpodcaster:innen (Film, Literatur, bildende und darstellende Kunst,etc.) mit dem Thema der Verantwortung umgeht.
Besprecht ihr Künstler, gegen die es Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs, Vergewaltigung, sexualisierte Gewalt oder psychische Gewalt gibt? Oder auch Künstler, die deshalb angezeigt und verurteilt wurden? Lasst ihr Künstler ganz weg? Oder entscheidet ihr euch, Dinge einzusortieren? Ist es euch egal und ihr lasst euch davon gar nicht beeinflussen?
Gerade im Film, scheint man fast bei jedem Regisseur erst einmal gucken zu müssen, ob es nicht irgendwelche Vorwürfe gibt, die einer Einordnung bedarf. Beim Theater liegt es vielleicht noch zu sehr im Dunkeln.

Ich komme darauf, weil ich mich seit dem The Atlantic Artikel sehr intensiv mit Bryan Singer beschäftige und mir die Frage stelle, in wie weit habe ich als Produzentin auch eine Verantwortung solchen Menschen keine Reichweite zu geben? Haben wir als Produzentinnen überhaupt eine solche Verantwortung?

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Hallo Daniela,

das Thema beschäftigt mich auch schon länger - spätestens ganz akut seit meinem Gastspiel in der Second Unit, in dem wir über Bohemian Rhapsody sprachen. Ehrlich gesagt fühle ich mich demgegenüber etwas hilflos. Wie du sagst, gibt es keine abschließende und richtige Antwort, ob man die Kunst vom Künstler trennen kann - und auch nicht, ob man das soll.
Wir haben beispielsweise Melancholia von Lars von Trier ausführlich besprochen, ein durchaus ja sehr streitbarer Regisseur, gegen den auch diverse Vorwürfe gemacht wurden. Diese haben wir in der Podcastfolge jedoch nicht besprochen, da uns das Thema Depression als solches wichtiger war, welches er in dem Film m.E. durchaus mit viel Respekt begegnet. Hier haben wir also definitiv die Kunst vom Künstler getrennt.
Allerdings gibt es sicherlich auch verschiedene Abstufungen, von “ist ein schwieriger Mensch”, “hat sich übergriffig verhalten”, “wiederholte Vorwürfe sexueller Nötigung” bis hin zu “wegen Straftaten verurteilt”. Ich persönlich würde z.B. kein Werk von Woody Allen oder Roman Polanski in voller Podcastlänge besprechen wollen.
Vielleicht merkt man, dass aus mir ein wenig Verzweiflung heraus spricht, da ich mir hier einfach unglaublich unsicher bin und vielleicht gern ein paar Handlungsempfehlungen hätte, die es wahrscheinlich nicht zweifelsfrei geben kann. Ich bin gespannt auf die weitere Diskussion.

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Ich tue mich schwer die Besprechung eines Werkes abzulehnen weil ich Probleme mit anderen Handlungen des Künstlers habe. Warum soll man Polanski Filme nicht besprechen können und evtl eben entsprechend einordnen welche Vorwürfe gegen ihn bestehen? Gerade bei Filmen fände ich das angemessen, denn die sind ohnehin Gemeinschaftswerke, die ohne Schauspieler, Drehbuchautoren, Designer etc. gar nicht machbar wären.

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Die Frage ist glaube ich weniger was man besprechen “kann”, sondern eher ob man “will” und “soll”. Gerade viele Medienpodcasts nutzen die viel beschwören Länge des Mediums aus. Widmet man sich einem Werk in den Maße würde ich vielleicht nicht von einer “Pflicht” sprechen, aber würde es doch für nachlässig halten, diesen Aspekt nicht mit einzubeziehen. Ich denke man kann den Künstler aus der Besprechung der Kunst ausblenden, aber in einer umfassenden Besprechung nie ganz trennen. Ein zweistündige Podcast über Polanski-Filme ohne ein Wort über Polanski wäre m. E. schlicht auf einer ganz zentralen Ebene unvollständig.

Der andere Aspekt ist dann auch die Frage: Muss ich genau dieses Wert eines problematischen oder gar kriminellen Künstlers besprechen? Gibt es, um bei den Beispiel zu bleiben, zu Polanski wirklich noch etwas Neues zu sagen? Oder lasse ich meine wie auch immer geartete Reichweite lieber z. B. einer Künstlerin und ihren Werk zukommen, das weniger Beachtung hatte?

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Hi Daniela,
eine sehr interessante Frage die Du da stellst! Als Philosoph würde ich sagen Ja, hast Du - aber nicht so wie Du sie beschrieben hast. Diese bedingt, dass Du dir nix ausdenken darfst, was die KünstlerIn getan haben darf/hat/oder soll. Du kannst Dir zum Beispiel Einsteins „Werke“ anschauen. Das wurde zwar schon zu tausenden gemacht, jedoch wird hier meine Sichtweise die ich anwenden würde, schnell klar.

Über Einstein wurde versucht mehr zu erfahren (über die reale Person). Doch es bliebt viel im verborgenen, vor allem sperrte sich die Familie dagegen. Letztlich auch, weil die Gesellschaft mehr Interesse um und an der Person hatte, als das, was sie letztlich erschaffen hatte. Hier haben wir drei unterschiedliches Sichtweisen, die wir behandeln können. Jede einzelne, machte die Sicht auf Ihn als Person nicht weniger populärer, wie die Arbeiten die er geschaffen oder die Person die er war, wie die Taten, die er begangen hat.

Meine Herleitung:

Es ist also die Sicht auf ein Objektives und deren Art der Rezitier- oder Beschreibbarkeit von Kunst und seinem Resümee, aus dem eine subjektive oder objektive Meinung; letztlich durch die Interpreten selbst entspringt.

Oder anders:
Es gibt einen Unterschied zwischen Philosophiegeschichte und Geschichtsphilosophie. Nicht nur in den Wörtern, sondern durch die unterschiedlichen Ansätze und damit der eigentlichen Betrachtungsweise und beziehen sich eben nicht, auf gleiche Epideme. Gleichwohl besitzt beides sowohl Objekt als auch Subjekt. Die Sicht jedoch, entscheidet allein, über den Kontext und ist damit hingegen nicht rein üblich, die eigentliche Betrachtungsweise auf die Kunst.

Ich sehe das nach kurzem nachdenken wie folgt:
Die Interpretation von Kunst kann meines Erachtens nach; indes, sowohl oder zu gleichem Sein. Diese Seinsweise (nach Aristoteles), nimmt die Person ein, welche gleichwohl eine Interpretation vornimmt und sie benötigt damit und vorab, eine Möglichkeit oder genauer, ein selbstständiges „Vermögen“. Bei der Interpretation von Kunst handelt es sich für mich kurz immer, um eine Kontradiktion von und durch das Vermögen. Da Diese, uns nur a priori beschreibbar wird (wie nach Kant), durch deren „Form und Gestallt“ einer Wahrnehmung und somit unserer „Brille“, durch die sie gesehen wird. Diese Beschreibung, was durch diese Brille gesehen werden kann, ist also damit nicht mehr Interpretation selbst, sonder die Interpretation der „Sicht“, welche wir nun „Kunst“ nennen können.

Daraus würde ich für mich ableiten wollen:
Ich nutze hier das Logos, da es sich ja um eine moralische Frage handelt, würde ich diese auch über das Ethos herleiten wollen:

Diese Frage ist eigentlich unlogisch, sie terminiert sich, durch Dich als Sicherterin und damit, zum selben die eigentliche Idee. Deine Frage ist induktiv und wäre damit immer falsch und inkorrekt. Und eben daher nicht lösbar, denn Sie:

1.) implizierst Du selbst, es gäbe keine Art der Kommunikation, bei der Du frei und unabhängig über die ProduzentInnen sprechen könntest. Wie du selbst jedoch oben herleitetest, haben wir min. eine gefunden - damit ist dieser Teil induktiv und kurz quatsch.
2.) unterstellst gleichwohl damit (also Dir selbst), Du hättest einen Anteil an der oder dessen Taten, die eine anderen Person getan habe. Die hast Du jedoch nicht, selbst wenn Du sie verhindern hättest können. Du hast jedoch jede Freiheit, dich von einer solchen (Tat/en) zu distanzieren. Die Frage ist also vorab: gehst Du auf die Person (die die Tat begannen und zugleich die Kunst erstellt hat); alleine auf die Kunst oder auf beides ein? Siehe dazu meine 3 Punkte der Seinsweise.
3.) Auch induzierst Du dabei, eine eigentliche Möglichkeit mit festen Ausgang (nennen wir diesen kurz Manipulation) zu besitzen, die dabei Reichweite schafft und vorab schon, mit dem endlichen Resultat eines bestimmenden Unvermögen bestückt sein muss, welches Du wiederum selber zu besitzen glaubst. Und eben das ist laut Naturgesetze eh nicht möglich.

Ja, sie besteht jedoch nur klar darin: keine Lügen oder unwissenschaftlichen Aussagen zu tätigen, die Personen denunzieren oder gar verbrämen werden oder könnten; Sie einer Tat bezichtigen, die von einem Gericht oder Geschichte nicht ausschließlich und klar nachgewiesen oder zugesprochen wurde oder eigentlich alles, was gegen geltende Gesetze verstößt.

Davon gehe ich bei Dir, aber eh nicht aus :smiley:

Bei Film ists leicht zu sagen: Es sind viel mehr Leute, teils hunderte beteiligt an nem Film. Man verschweigt den Künstler der was verbrochen hat, aber haut auch unzählige in den Topf, die vollkommen unschuldig sind.
Speziell wenn ein Film herauskommt, bevor irgendwer von irgendwas weiß, kann man dem Mitarbeitenden nicht vorwerfen, sie hätten sich an dem Werk eines zweifelhaften Künstlers beteiligt.
Bei anderen Kunstformen, weiß ichs nicht. Womit man sich wohler fühlt.

Desweiteren finde ich es weitaus wichtiger die Probleme, die der Künstler aufgebracht hat, zu thematisieren, und wenn es nur ein “Ihr findet dort und dort Hilfe, wenn Euch was Ähnliches passiert ist, wie den Opfern des Künstlers”.
Denn man darf dabei auch nicht vergessen, wenn man über die Themen schweigt, wirds nicht besser. Egal ob es sich um MeToo oder Rassismusvorwürfe oder Ähnliches handelt. Man muss es einordnen, man muss den Leuten die Möglichkeit geben sich zu informieren und: man sollte da nen Ansatz bieten, wo sich Betroffene, die sich wiederfinden in der Einordnung, egal auf welcher Seite, Hilfe holen können.
Das muss nicht ausschweifend sein, aber von Verschweigen hat halt niemand was.
Das macht die Gesellschaft ohnehin schon zu lang, das muss man nicht mittragen.

Ich liefer da mal die Nazizeit als Beispiel: Filme aus der Zeit einzuordnen und zu erklären, weshalb Leni Riefenstahl gleichzeitig problematisch ist als auch ein großer Einfluss auf unglaublich viele Filme inklusive Star Wars hatte find ich wichtig.
Der Mensch lebt nicht im Vakuum, sondern wird durch alles beeinflusst, Gutes als auch Schlechtes.
Nur durch die Auseinandersetzung können wir lernen Beides voneinander zu trennen und für die Zukunft lernen.

Edit: Ich versteh aber auch diejenigen, die mit der Auseinandersetzung ein Problem haben. Solche Themen sind halt nicht schick…

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Tja, @dieHorst wollte ja eigentlich gar nicht die Sache diskutieren sondern wie Podcastende das handhaben. Da stellt sich dann erst einmal die Frage nach dem eigenen Format und dessen Anspruch. Oder anders: Wie viel eigene Person steckt in dem Format, wie sehr geht es darum die eigenen Empfindungen und Ansichten zu transportieren vs. der eigentlichen Inhaltsvermittlung.

Podcasts, insbesondere Indie-Formate, haben ja gerade den persönlichen Aspekt als Stärke. Aus diesem Aspekt heraus nehme ich in meine Formate nichts auf, das ich nicht besprechen will, ganz egal wie relevant oder besprechenswert das Werk ggf. wäre. Ich transportiere also oft meinen Blick auf die Welt und meine Einschätzung ohne Anspruch auf Vollständigkeit oder Korrektheit.

Allerdings sehe ich selbst eben auch Werk von Macherin getrennt. Das kann man jetzt durchdiskutieren, aber für diesen Beitrag heißt das nur: Meine Ansichten und meine Auswahl gelten und genau deswegen habe ich beispielsweise über Michael Jackson’s Musik gesprochen auch wenn er wahrscheinlich abscheuliche Verbrechen begangen hat. Das erwähne ich dann, aber die tun weder der Message seiner Lieder noch dem prägenden Stil seiner Musik Abbruch. Dasselbe gilt für Literatur. Hemingway war ein sexistischer Alkoholiker mit Gewaltphantasien, trotzdem beeindruckt sein Werk. Und ich nehme mir raus, dann da auch darüber zu sprechen und vielleicht sogar das Werk großartig zu finden. Ich würde aber die den Künstler betreffenden Aspekte an- und besprechen (sofern sie mir bekannt sind), einfach weil ich eben auch meinem Publikum gegenüber einordnen möchte wie meine Perspektive zu verstehen ist.

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