Rodecaster Pro: Erfahrungsbericht

Moinsen,

ich habe gerade für einen Kunden ein Podcaststudio eingerichtet. Die Wahl fiel auf den Rodecaster Pro als Aufnahmegerät und die Rode Procaster-Mikrofone. Neben Audio wird es von der Sendung auch eine Videoversion geben, dafür musste der Ton noch an eine Kamera geschickt werden.

Hier ein Bild vom Setup-Chaos:
Foto vom Aufbau-Chaos

Nach zwei Stunden Zeit mit dem Rodecaster Pro hier mein völlig subjektives Bild von dem Gerät und ein paar erste Erkenntnisse:

Erste Schritte

  • Bedienung: Touchscreen nicht ganz so responsive wie bei Smartphones aber völlig ausreichend. Während der Aufnahme bedient man dann alles eh über Fader und Taster.
  • Firmware: Kam mit 1.0.1, Update auf 1.1.0 ging schmerzlos mit der macOS-App per USB-C. Kabel von USB-A auf USB-C wird mitgeliefert.
  • Micro-SD-Karte: Ist auf der Rückseite einfach einzulegen und zu entfernen. Beim ersten Einlegen promptet das Gerät, ob es die Karte formatieren soll.
  • Carts: Die 8 carts lassen sich per Mac/Windows-App befüllen, oder man kann auch im Gerät z.B. vom Mikrofon auf die Carts aufnehmen.
  • Vier mal XLR-Mikro, 1 x USB vom Rechner, 1 x TRRS-Stecker (Smartphone), 1 x USB-Anbindung
  • Unity Gain ist nicht näher markiert, befindet sich aber bei den Fadern beim fünften Strich von oben. Ich glaube, das hatte ich in irgend einem Video gesehen.
  • Anschalten per rotem Knopf auf der Rückseite, Abschalten ebenso, man wird aber gewarnt und muss das Abschalten auf dem Touchscreen bestätigen. Ausversehen Ausschalten ist damit fast ausgeschlossen.
  • Ich vermute, dass der Rodecaster Pro je Kanal internes Limiting macht, ich konnte ihn zwar mit Mühe zum Zerren bringen, aber nicht zum schlimmen Clippen.

Mikrofone einrichten

  • Anstöpseln, im Interface Mikrofontyp auswählen. Für die Mikrofone von Røde sind schon Presets drin, andere Mikrofone werden über den Typ “Dynamisch” oder “Kondensator” eingebunden.
  • Phantomspeisung lässt sich pro Mikrofonkanal schalten
  • Einrichten des Sounds über einfache Settings: Stimme leise/mittel/laut, tief/mittel/hoch. Ich vermute, dass sich daraus dann intern die Einstellungen für Kompressor, Gate, EQ usw. ergeben.

Processing/Effekte

  • Kompressor, Noise Gate, De-esser, usw. können nur ein- und ausgeschaltet werden. Klingen ordentlich. Das Gate war mir teils etwas zu aggressiv, könnte aber auch sein, dass ich für meine Stimme einfach nicht die richtigen Settings (siehe vorheriger Punkt) eingestellt hatte.
  • Aphex Exciter und Big Bottom ebenso. Die sind mir persönlich zu aggressiv, klingen nach amerikansichem Morning Radio.
  • Alle Settings sind natürlich je Spur verfügbar
  • Alles Processing und alle Effekte lassen sich je Spur auch einfach per Hauptschalter ausknipsen.
  • Spur 1 hat zusätzlich noch Ducking. Wenn das an ist, werden alle anderen Spuren runtergeregelt, wenn auf Spur 1 geredet wird.

N-1

  • Wir haben das mit einem per Bluetooth gepairten iPhone getestet
  • Funktioniert exakt wie erwartet, d.h. man telefoniert einfach (oder nimmt Skype o.ä.), für das Fon gibt es einen eigenen Fader und N-1 funktioniert einfach genau so, wie es soll.
  • Da es neben Bluetooth noch eine zweite Möglichkeiten für die Anbindung eines Smartphones gibt (nämlich per TRRS-Stecker) können also auch zwei externe Geräte für N-1 eingebunden werden.

Kopfhörerverstärker

  • Vier mal 6,3mm Klinkenbuchsen auf der Rückseite
  • Vier Regler für die Lautstärke der einzelnen Kopfhörer, jeder kann sich das also nach Geschmack selbst einstellen
  • Alle aktiven Spuren sind latenzfrei auf allen Kopfhörern zu hören, damit kann sich auch jeder selbst monitoren und off-mic-Situationen vermeiden

Aufnahme

  • Großer roter REC-Button ist schwach erleuchtet und pulsiert (“atmet”) leicht
  • Um aufzunehmen einfach REC-Button drücken (der wird dann deutlich heller und pulsiert nicht mehr) und die Aufnahme startet sofort
  • Am Ende den Knopf wieder drücken
  • Fertig
  • Auf der Micro-SD landet je Aufnahme eine WAV-Datei
  • Während der Aufnahme kann man per Tap auf dem Touchscreen Marker droppen

Anbindung der Kamera

  • Die verwendete Kamera hatte zwei XLR-Eingänge.
  • Ich habe den Main/Live-Ausgang vom Rodecaster Pro per balanciertem 6,3mm-TRS-auf-XLR-Adapter an die Kamera gebracht
  • Rechts oben am Rodecaster dann Ausgang aufdrehen und der Ton kommt quasi latenzfrei und abgemischt bei der Kamera an (Latenz nicht im Detail getestet, wenn das ein Problem wäre, wäre es mir aber aufgefallen)

Weiterbearbeitung Audio

  • Karte raus, in Kartenleser am Rechner, WAV-Datei in DAW öffnen
  • Die WAV-Marker lassen sich in Reaper-Marker umwandeln (Item > Item Processing > Import Media Cues from Items…) und eignen sich damit z.B. als Vorstufe für Kapitelmarken

Nicht getestet

  • Anbindung eines Phones per TRRS-Kabel (mangels Kabel)
  • Multitrack (war nicht Ziel der Übung)
  • USB-Anbindung an Rechner (war nicht Ziel der Übung)
  • USB N-1 (Anbindung von Rechner mit Skype etc.)

Fazit

Die Einrichtung hat vom Unboxing bis zur ersten gut klingenden Aufnahme vielleicht 15 Minuten gedauert und das auch nur, weil wir nebenher noch Mikrofonarme angeschraubt haben. Kabel anstöpseln, Kanäle mit ein paar Taps einrichten, Karte formatieren, los. Den Rest der Zeit haben wir damit verbracht, zu testen, zu spielen und z.B. N-1 auszuprobieren.

Ohne es getestet zu haben, sollte für Mehrspurfans die USB-Anbindung an den Rechner genau das liefern: Einzelspuren in die DAW. Ob auch mehrere Spuren auf die Karte geschrieben werden, habe ich nicht probiert, da das hier nicht Ziel war.

Unschlagbar einfach ist die Bedienung. Nachdem die Sache einmal eingerichtet ist, kann jede:r damit eine professionelle Aufnahme abliefern, unabhängig von der Audioerfahrung. Die einzige aus meiner Sicht ernstzunehmende Fehlerquelle ist die falsche Einstellung der Voice-Parameter (laut/mittel/leise usw.) und die dann in der Folge nicht optimal eingestellten Gates oder Filter – aber selbst dann kommt hinten noch was brauchbares raus.

Mit Auphonic im Schlepptau ist die Kiste aus meiner Sicht eine enorm einfache und gut klingende set-it-and-forget-it-Lösung. Und auch ohne Auphonic können sich die Aufnahmen hören lassen.

Wer also statt viel Basteln lieber etwas Geld drauf werfen möchte (649 € bei Thomann), hat mit dem Rodecaster Pro eine einfache, gut klingende und rechnerlose Aufnahmelösung.

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Danke für die umfassende Einschätzung. Nebenaspekte: liefert auch genug Wumms für die dynamischen Procaster? (Ich nehm’s jetzt mal an).

Was sind das für schicke Mikrostative?

Wie setzt du die WAV-Marker? Und wie ist die Qualität der Bluetooth-Aufnahmen?

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Meinst du das?

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Auf dem Touchscreen ist während der Aufnahme rechts oben ein Button dafür.

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Reichlich ooompf für Procaster.

Mikro-Arme sind K&M 23860. Federn & XLR-Kabel innen, knarzen nicht und sind sehr aufgeräumt.

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Bluetooth-Qualität ist aus meiner Sicht (nur kurz mit iPhone und Testanruf ausprobiert) für Sprache brauchbar. Welcher Codec da verwendet wird, weiß ich nicht und da fehlt mir auch der direkte Vergleich. Musik habe ich darüber auch nicht angespielt. Wenn ich die Wahl hätte, würde ich das aber einfach per TRRS anstöpseln.

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Ich habs ausprobiert mit Bluetooth, ich finde die Telefonsprachqualität kling grottig. Gut ist aber die Musikübertragung per Bluetooth, und super ist die Cleanfeed-n-1-Verbindung zum Computer. Wenn man von dort aus jemanden zum Gespräch per E-Mail etwa an einem IPad und vermutlich IPhone (Browser) einlädt, hat man eine super Qualität ohne Telefonproblematik.

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Habe mein iPhone per TRRS angestöpselt und dabei interessanterweise schlechtere Ergebnisse erzielt als mit Bluetooth. Vielleicht lag das aber an einem minderwertigen Kabel.

Die Bluetooth-Aufnahme klingt trotz grottenschlechter Mobilfunk-Verbindung halbwegs erträglich:

Multitrack-Aufnahme per USB-C auf ein MacBook mit Hindenburg gelingt supereasy ohne Probleme. Auf die ins Gerät eingelegte SD-Karte wird nach wie vor “nur” ein Stereomix abgelegt (Firmware 1.1.2).

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Kannst du das noch mal mit etwas testen, wo die Sprachqualität etwas deterministischer ist? Telefon ist hier z.B. im ländlichen Edge mal so mal so.

Bin gerade über das Thema gestolpert und habe da vielleicht auch noch was beizusteuern.
Hab das Rodecaster Ende letzten Jahres von Rode für einen Test gestellt bekommen. Leider ging es ne Woche vor dem Multitrack-Update retour aber ja - an einigen Punkten sollte sich nichts geändert haben:

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Mit Multitrack-Aufnahme wird das Teil sehr interessant. Na mal schauen wenn ich mal groß sein sollte…

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Kleiner Nachtrag, die Review von The Verge: https://www.theverge.com/2019/4/8/18294629/rodecaster-pro-review-podcast-studio-xlr-microphones

An USB kann es seit Software V1.1 Multitrack-Aufnahme, auf der SD-Karte wohl (noch?) nicht.

An USB würde mir schon genügen. In der ersten Firmware-Version kam ja grundsätzlich nur der fertigen Stereo-Track raus.

Hi, erstmal Danke für den Erfahrungsbericht. Hab mir das gute Stück nun bestellt - und bin etwas irritiert: Nach dem Firmware-Update (auf 1.1.3) funktioniert die Ducking-Funktion nicht mehr. Sonst jmd. diese Erfahrung gemacht und vielleicht nen Tipp?

Ich möchte kein neues Thema starten, daher würde ich gern die Frage hier stellen: Kann der Rodecaster Pro gleichzeitig als Interface im Mac arbeiten und auf SD-Karte aufnehmen? Der Zoom L12 kann das und ich findet diese Funktion super als Backup.

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Kann er, allerdings sind alle Kanäle auf USB Pre-Fader.

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Cool, danke für die schnelle Antwort! Wie bei dem L-12 auch, alle USB Kanäle sind Post-Gain/Kompressor und Pre-Fader. Wäre aber ok für mich, ich bearbeite danach eh alles in Ultraschall.

Der Rodecaster ist kompakter (mobile Aufnahme mit 2-3 Gästen) und ermöglich einfacheres N-1 als der L-12, bei dem ich immer ein zweites Interface anschließen muss (für Skype und Zoom.us) mit dem ganzen Kabelgewusel. Deswegen überlege ich auf den Rodecaster zu wechseln. Ich hoffe die Tonqualität ist vergleichbar gut.

Hm ich meine ausgerechnet zu haben wie man auch mit dem L12 N-1 ohne weitere Zusätze hinbekommen kann.
Das war eines meiner Congress-Projekte - zu denen ich dann nicht gekommen bin :pensive:
Wenn mir @timpritlove Seins mal ausleiht, kann ich das nochmal probieren.

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